Vierraden: „Mit dem Tabakanbau zum Wohlstand“

Tabakmuseum führt Lesereise durch

(vr/sp) Zum ersten Mal führt das Tabakmuseum Vierraden eine Lesereise durch. Dabei dreht sich alles um das Buch „Scheunenschmaus unter der Tabakblüte“. Es ist im vergangenen Sommer herausgekommen und ging schon am ersten Verkaufstag weg wie die sprichwörtlichen „warmen Semmeln“. Das Buch beleuchtet in Interviews mit Zeitzeugen, wie es war, als Kleinbauer mit Tabak für den eigenen Unterhalt zu sorgen.

Tabak Land Leben“ – Wertschätzung einer Lebensleistung
Das Museum hat im Winterhalbjahr für den Besucherverkehr geschlossen. Mit der Lesereise begeben sich die Mitarbeiterinnen von Januar bis März jedoch direkt zu ihrem Publikum. Unter dem Titel „Tabak Land Leben“ stellen sie das Buch und den gleichnamigen Film vor, der ebenfalls entstanden ist. In Gesprächen mit den Zuhörern sollen Erinnerungen an die Zeit des Tabakanbaus und an das Landleben in der Uckermark geweckt werden. Ein Stück Regionalgeschichte wird so zum Leuchten gebracht.

Fünf Leseorte sind geplant
Erste Station war der Schwedter Ortsteil Berkholz, der bis heute von der Architektur der Tabakscheunen geprägt ist. Für viele Familien war der Tabakanbau eine Möglichkeit, sich einen gewissen Wohlstand zu erarbeiten. Auch für Gisela Müller, Sigrid Mentag und ihren Sohn Peter hat die Arbeit im Tabak eine große Rolle gespielt. Sie gehören zu den Zeitzeugen, die im Buch „Scheunenschmaus unter der Tabakblüte“ zu Wort kommen. „Viele Familien haben privat auf einem Stück Land Tabak angebaut. Sie mussten sich einfach etwas dazuverdienen. Wir Kinder wussten schon von Klein auf: Jede Pflanze, die du pflanzt, bringt eine Mark für Weihnachten“, erzählt zum Beispiel Peter Mentag. Noch immer baut er etwas Tabak an, damit der Dorfgemeinschaftsverein zum traditionellen Erntefest etwas zum Schmücken der Wagen hat.

Tabakmuseum Vierraden
Das Tabakmuseum Vierraden ist Bestandteil des Schwedter Stadtmuseums und einzigartig in Ostdeutschland. Es befindet sich in einer dreigeschossigen Scheune, in der einst Tabak zum Trocknen in den Hang gezogen wurde. Auf 500 Quadratmetern erfährt der Besucher Wissenswertes über die 300-jährige Geschichte des Tabakanbaus in der Uckermark. Das Leben im Rhythmus des Tabakjahres, das sich hier auf den Raum zwischen Schwedt und Gartz konzentrierte, wird nachvollziehbar. Schon im März begann das Tabakjahr mit dem Vorkeimen des Samens. Unbeliebt, aber notwendig war das Hacken, damit die Pflanzen Luft bekamen und das Unkraut nicht überhand nahm. Das Aufziehen des Tabaks in der Scheune bildete den Erntehöhepunkt – eine Arbeit, bei der mehrere Generationen zusammen kamen. Hier waren Kaffee und Kuchen der gerechte Lohn zwischendurch. „Zu uns ins Museum kommen Besucher aus Ost und West. Viele staunen, dass es in Deutschland so bedeutsamen Tabakanbau gegeben hat“, sagt Karin Stockfisch, Mitarbeiterin im Tabakmuseum. „Wir sind froh, dass unsere Lesereise auf ihrer ersten Station so viel Anklang gefunden hat. Unsere Lesereise soll dazu beitragen, dass die Erinnerung an einen wichtigen Teil der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte unserer Region erhalten bleibt. Wir wollen den Umgang mit diesem besonderen Erbe öffentlich machen und in Beziehung zu unserer heutigen Zeit setzen.“

Erlebnisse der Umbruchjahre
Natürlich ging es in den Gesprächen in Berkholz um die Arbeit in der Landwirtschaft, die speziellen Kulturtechniken des Anbaus und die Verarbeitung von Tabak. Besprochen wurden auch die Erlebnisse der Umbruchjahre nach 1990 und die Gründe, warum es heutzutage nur noch einen nennenswerten Tabakanbaubetrieb gibt, nämlich die Uckermark Tabak GmbH in Vierraden. Viele ehemalige Tabakbauern sind heute 80 Jahre und älter. Sie haben hart gearbeitet für ihre Familien, konnten vom Tabakgeld ihre Häuser auf Vordermann bringen oder ein Auto kaufen. „Als bei uns der Farbfernseher aufgestellt wurde, kam das ganze Dorf zum Gucken“, erinnert sich Gisela Müller. Für sie und die anderen Männer und Frauen im Tabak ist die Lesereise „Tabak Land Leben“ auch eine Wertschätzung ihrer Lebensleistung.

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