Museum reflektiert Geschichte der Tabakverarbeitung

Kautabakmuseum Witzenhausen gibt Einblicke in die ehemalige Welt der Firma Grimm & Triepel

(HN) „Eines muss ich gleich am Anfang klarstellen“, begrüßte Regina Schewe am vergangenen Sonntag um 14 Uhr die rund 30 Gäste im Kautabakmuseum Witzenhausen. „Lutschtabak wäre das passendere Wort für das Produkt, was hier in diesen Räumen hergestellt wurde.“

Diese Räume, von denen Schewe sprach, sind das Innenleben eines unscheinbaren Fachwerkhauses in der Walburger Straße in Witzenhausen. Doch so unscheinbar das Haus von außen ist, desto beeindruckender ist die gelebte Geschichte des Industriezweigs der Kautabakherstellung, die in den Räumen zu sehen ist. Vollgepackt mit Industriemaschinen sind die Räume, deren niedrigen Decken von Balken getragen werden, deren Holz eine so dunkle Farbe angenommen hat, wie sie sonst nirgends vorzufinden ist.

Doch die Farbe kommt nicht etwa von Rauch, sondern von der wichtigsten und geheimsten Zutat des Kautabaks. Vor den Augen der Gäste öffnet Schewe einen großen Kessel mit einem Fassungsvermögen von 800 Litern. „Hier drin befindet sich unsere Soße“, erzählt Schewe. „80 Zutaten sind in der Mischung vorhanden, die dem Kautabak den besonderen Geschmack gibt.“ Durch das Aufkochen der aromatischen, nach Pflaumen, Wein und Orangen riechenden Soße färbte sich im Laufe der Zeit das Holz des Gebäudes. Schewe führte den Rundgang fort, stellte große Maschinen, die älteste aus dem Jahr 1895 vor, die benutzt wurden, um den Tabak zu spinnen, die einzelnen Blätter zu einem festen und doch weichen Strang Kautabak zu formen.

Alte Holztische an denen Arbeiterinnen den Rohtabak aus der Toskana und aus Indonesien für das Spinnen aufbereiteten. Die Wände in der Kautabakmanufaktur lassen mit Zeitungsausschnitten und alten Fotografien die Geschichte der Firma Grimm & Triepel, die den Tabak herstellte, lebendig werden.

Unter den Gästen war mit Gisela Wilhelm auch eine Frau, die keine Fotos brauchte, um sich zu erinnern. Denn Wilhelm, heute 88 Jahre, arbeitete selbst von 16 bis 26 in einer Kautabakmanufaktur der Firma Fischer & Herwig in Hann. Münden. „Es war eine schöne Arbeit“, erzählte Wilhelm. „In dem großen Spinnsaal, in dem wir arbeiteten, wurden wir alle zu Freunden.“ Sogar gesungen hätten sie nachmittags bei der Arbeit. „Und trotzdem arbeiteten wir gut“, erzählte die 88-Jährige, die in ihrer Zeit in der Kautabakmanufaktur sogar ihren Ehemann kennenlernte. Zum Ende der Führung kamen Wilhelm und Schewe ins Gespräch und teilten Erfahrungen als Arbeiterinnen in einer Kautabakmanufaktur.

Und auch wenn etliche Jahre zwischen den beiden Frauen liegen und die Welt sich verändert hat, so erzählte Schewe, hat man auch in Witzenhausen, Jahrzehnte später, nachmittags noch gemeinsam bei der Arbeit gesungen.