Lampertheim, die Tabakstadt

Bereits 200 Jahre vor dem Spargel wurde die Tabakpflanze als Sonderkultur in Südhessen angebaut / Damals galt sie als heiß begehrtes Heilkraut

(pm/sp) Tabak war einst von den großen Seefahrer-Nationen Spanien und Portugal aus Amerika nach Europa gebracht worden. In der „Neuen Welt“ hatte der Tabak als wichtiger Bestandteil indianischer Rituale („Friedenspfeife“) einen hohen Stellenwert. Dagegen wurde die Pflanze in der „Alten Welt“ wegen ihrer großen, kräftigen und schönen Blüten zunächst ausschließlich als Zierpflanze geschätzt. Erst mit der Zeit haben die Seeleute nach und nach den Tabak zum Rauchen, Schnupfen und Kauen für sich entdeckt.

Jean Nicot und das  „Nicotin
Dem französischen Diplomaten und Gesandten am portugiesischen Hof Jean Nicot wird zugeschrieben, im Jahre 1561 die ersten Tabaksamen an den französischen Hof geschickt zu haben. Diesem Umstand war zu verdanken, dass der französische Botaniker Jacques Daléchamps der bis dato unbekannten Pflanze den Namen „herba nicotiana“ gegeben hat. Schließlich entschlüsselten die beiden Heidelberger Chemiker Karl Ludwig Reimann und Christian Wilhelm Posselt im Jahr 1828 die in der Pflanze enthaltene Stickstoffverbindung als ein Alkaloid, das die Pflanze zur Abwehr von Fressfeinden bildet. Zu Ehren von Jean Nicot gaben sie der Verbindung den Namen „Nicotin“. Im Rahmen einer fortlaufenden Serie wird die Entwicklung und das Ende des Tabakanbaus in Lampertheim und Hüttenfeld in den folgenden Wochen vorgestellt.

300 Jahre Tabakanbau in Südhessen
Allgemein gilt als gesichert, dass rund um Lampertheim bereits vor über 300 Jahren Tabakanbau als Sonderkultur betrieben wurde. Dies war vor allem den günstigen Bodenverhältnissen als auch den guten klimatischen Bedingungen zu verdanken. Wenn man im Zusammenhang mit Lampertheim von der „Spargelstadt“ spricht, hätte man früher mit Fug und Recht auch von der „Tabakstadt“ sprechen können. Heute wird allerdings in Lampertheim schon lange kein Tabak mehr kultiviert, nachdem auch Heinz Karb („Kreuzhofbauer“) aus der Biedensandstraße als letzter Landwirt den Tabakanbau eingestellt hat. Nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges gelangte die Tabakpflanze in die Kurpfalz. Mannheimer Bürger betrieben den Tabakhandel zunächst nur als Nebengeschäft. Ohnehin wurden die Pflanzen nicht großflächig, sondern auf kleinen Ackerparzellen oder sogar in Gartenbeeten angebaut. Ein altes Gerichtsprotokoll aus dem Lampertheimer Stadtarchiv, das im Jahr 1686 von einem Tabakdiebstahl berichtet, gilt als Hinweis, dass zu dieser Zeit auch in Lampertheim Tabak angebaut worden sein könnte. Beim Gerichtstag am 10. Dezember klagt Hans Julian Schüler, „daß Wilhelm Mohr gestohlenen Tabac bey Ihme in seinem Hauß nicht allein: Sondern auch alß Er dergleich Wahr nacher Mannheim geführet und verkauft, auf der Wacht daselbsten gesucht, aber nicht gefunden, also Ihn vor einen Dieb gehalten, wie er dann auch bey Hanß Hilsenwecks Frawen sich expreße vernehmen laßen. Er wollt den S. V. (salva venia = wörtlich übersetzt “mit Erlaubnis„, eine Entschuldigungsformel bei Nennung unsauberer Gegenstände, z. B. S. V. Schweine) Diebstahl schon bey dem Jungschwaben finden“.

Gerichtsprotokoll vom 15. Dezember 1695
Eindeutig wird die Sachlage neun Jahre später durch ein Gerichtsprotokoll vom 15. Dezember 1695. Darin steht, „daß so viele ledtige leuth, so wohl Manns- als auch Weibspersonen sich allhier aufhalten welche ihre Nahrung im Tabakplantzen odter sonsten suchen…“. Es wird befürchtet, dass diese den Einheimischen „daß Brodt vor dem Mund abschneiddten“ und dass es bei Strafe anzubefehlen sei „keinem dergleichen Leuthen äcker lehnweiß zu überlassen“. Das Gericht setzte damals eine Strafe von drei Gulden fest. Beide Dokumente weisen darauf hin, dass der Tabakanbau in Lampertheim früher begonnen hatte, als er für die Gebiete Hessen und Pfalz allgemein angenommen worden war. In diesem Zusammenhang ist eine Meldung in der Lampertheimer Zeitung vom 30. Dezember 1897 interessant. Dort heißt es: „Das 200-jährige Jubiläum seines Anbaues feierte in diesem Jahre der Tabak in der Pfalz und dem angrenzenden Hessen. Man rauchte ihn zunächst als Heilkraut, welchem ganz abenteuerliche, medicinische Kräfte zugeschrieben wurden.“In einem Kräuterbuch aus dem Jahre 1686 heißt es: „Der Tabak macht Niesen und Schlafen, reinigt den Gaumen und die Haut, vertreibet die Schmerzen und Müdigkeit, stillet das Zahnweh, behütet den Menschen vor der Pest, verjaget die Läuse, heilet den Grind, Brand, alte Geschwüre, Schaden und Wunden.“

Klassiker in Lampertheim: Spargel und Tabak
Der Tabakanbau darf somit für Lampertheim und seine nächste Umgebung als eine der ersten Sonderkulturen angesehen werden, zumal der erste Lampertheimer Spargelacker von Lehrer Karl Faustmann in der Grauensteingewann im Jahr 1899 angelegt worden war.