Im Gespräch: „Rauchzeichen“ von Ferdinand von Schirach

Kann man Sorgen in Rauch aufgehen lassen?

(kpw) Bescheidene Ansprüche haben Tradition. Heimito von Doderer meinte einmal, dass ein Spaziergang im Garten mehr bringe als eine Weltreise. Und von Blaise Pascal stammt die berühmte Sentenz, dass das ganze Unglück der Menschen allein daher rühre, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.

Ferdinand von Schirachs neues Buch heißt schlicht Kaffee und Zigaretten. Von Kaffee ist darin allerdings wenig die Rede – von Zigaretten dafür umso mehr. Der ehemalige Rechtsanwalt und nunmehrige Erfolgsautor ist ein leidenschaftlicher Raucher – und hat in dieser öffentlichen Eigenschaft längst die Rolle von Helmut Schmidt übernommen. Wer einmal ein Interview mit ihm führen durfte, weiß, dass man dazu besser in ein Raucher-Café geht. Wenn Schirach rauchen darf, ist er ein wunderbarer Gesprächspartner. (Wenn nicht, auch, aber nicht so lange.)

Von Cigarren, Zigaretten und berühmten Rauchern (von Mark Twain bis zu Helmut Schmidt, den er naturgemäß für den „idealen Raucher“ hielt) spricht und erzählt Schirach in dem Buch, wie gesagt, viel. Nur einen Aspekt lässt er unerwähnt – dass es nämlich neben allen eindeutig schädlichen Wirkungen des Rauchens auch eine positive gibt: es ist ein Antidepressivum. Das ist deshalb interessant, weil Schirach in den 48 Texten, die der Band versammelt und die einmal mehr, dann wieder weniger mit ihm selbst zu tun haben, sich als depressiv beschreibt.

Dieser Ton grundiert auch viele seiner Texte, die deswegen aber keineswegs deprimierend sind. Es ist eine ungebundene Schwermut, die in diesen knappen, sehr klar formulierten Geschichten mitschwingt. Auch wenn sie kurz sind und von scheinbaren Kleinigkeiten handeln, geht es darin doch fast immer um große Dinge (und Fragen). Um Liebe, Schicksal, Verbrechen. Schirach ist ein zeitgemäßer Existenzialist, der die Unmöglichkeit, hinter allem einen Sinn zu erkennen, präzise auf den Punkt bringt. Aber die Sehnsucht danach nicht leugnet, sondern wachhält. Deswegen lieben ihn die Leser. Weniger die Kritiker, die mit dieser schnörkellosen Klarheit, der sie nichts mehr hinzufügen können, selbst nicht klarkommen. Aber das ist eine andere Geschichte.