Heinrich Villiger im aktuellen sp-Interview

Aktuelles und Ausblicke

(sp) Wer etwas über die weltweite Cigarrenbranche und deren Entwicklung wissen will, der fragt bei Heinrich Villiger, Präsident des Verwaltungsrates der Villiger Söhne Holding AG und der Villiger Söhne AG, nach – und bekommt stets konkrete und spannende Infos aus der Welt des Tabaks und der Cigarre. Dies hat auch der smokerspress-Chefredakteur gerne und oft in den vergangenen Jahren in Anspruch genommen. Die Pandemie hat unsere Kommunikation und die Gedankenspiele vor der Kamera oder auf Messen und Events etwas ins Stocken gebracht. Vor diesem Hintergrund ist dieses aktuelle Interview mit Heinrich Villiger entstanden. Hier geht es zum aktuellen snTV Talk – ohne Kamera.

Klaus Peter Will (KPW): Hallo Herr Villiger, leider konnten wir uns in diesem Jahr zu keinem Interview verabreden, wie geht es Ihnen?

Heinrich Villiger (HV): Danke, es geht mir sehr gut. Erfreulicherweise habe ich weder ‚Altersbeschwerden‘ noch gesundheitliche Probleme, was in Anbetracht meines Jahrgangs‘ (1930) nicht selbstverständlich ist. Ich genieße täglich einige Cigarren und selbstredend ein gutes Glas Wein und hin und wieder auch einen ‚Digestif‘, also all das, was allgemein als „ungesund“ beurteilt wird. Aber „moderates Genießen“ schadet dem Menschen nicht – im Gegenteil. Ich bin auch sehr dankbar, dass ich im „Home Office“ täglich noch einige Stunden arbeiten kann. Ein regelmäßiger „Kurierdienst“ zwischen unserem Unternehmen und meinem Heim hält mich „auf Trab“. Zu Meetings fahre ich jedoch nach wie vor zu unserer Verwaltung in Tiengen.

KPW: In diesem Jahr gab und gibt es in der Cigarrenindustrie in Deutschland einige weittragende Veränderungen. Dies betrifft einerseits Ihr Tochterunternehmen, die 5Th Avenue Products Trading-GmbH, aber auch bei Ihren Wettbewerbern rumort es. Da werden altansässige Unternehmen und klassische Distributionsunternehmen vom Wettbewerb gekauft und/oder neu aufgestellt, was bedeutet dies für die Branche und für Ihre Unternehmen? Hängt das auch mit der Einführung von Track & Trace zusammen oder was sind Ihrer Meinung die Gründe dafür?

HV: Es ist kein Geheimnis, dass es zurzeit der internationalen Cigarrenbranche trotz der massiven weltweiten Anti-Tabak-Kampagnen ‚recht gut geht‘, wobei selbstredend die Absatzentwicklung in den einzelnen Ländern nicht einheitlich ist . Wir haben Länder mit positiven Zahlen, andere stagnieren und einige weisen auch einen rückläufigen Konsum aus. Im letzteren Fall zumeist als Folge der wirtschaftlichen Situation oder auch von steuerlichen Veränderungen – siehe Erhöhung der Verbrauchssteuern. Wenn „der Politik“ nichts anderes mehr einfällt, so ist die Tabaksteuer ein ‚beliebtes‘ Mittel zur Sanierung der Staatsfinanzen. Schon als Kinder lernten wir den Spruch „Tabak und Nikotin rafft die halbe Menschheit hin – doch ohne Tabak und Rauch stirbt die andere Hälfte auch“. Es sollte dabei auch der Politik bewusst sein, dass es gerade der Tabakanbau ist, der in vielen wenig entwickelten Ländern zum Überleben von kleinbäuerlichen Strukturen beiträgt, vor allem in Afrika und in Lateinamerika. Und damit komme ich zu Nicaragua. Vor allem in diesem Land hat sich in den letzten Jahren die Cigarren- Produktion beinahe „explosiv“ entwickelt und Tausende von neuen Arbeitsplätzen geschaffen vor allem dank des Exports nach USA, dem weltweit größten Absatzmarkt für Cigarren. Nicaragua hat, nebst der Dominikanischen Republik und auch Honduras, vor allem vom US-Embargo gegen Cuba und der aktuellen Knappheit von Havanna-Cigarren profitiert. Aus diesem Grund hatten wir uns vor etwas mehr als einem Jahr entschlossen, in Esteli, dem Zentrum der nicaraguanischen Cigarrenbranche, eine eigene Niederlassung (Villiger de Nicaragua) zu errichten.

KPW: Seit nunmehr einem Jahr produziert Ihre neue Fabrik VILLIGER DE NICARAGUA fleißig Handmade–Cigarren – für viele Märkte weltweit. Ein Jahr ist in unserer Branche nur ein Wimpernschlag, würden Sie trotzdem ein erstes Fazit ziehen? Hat sich Ihr Engagement in Esteli/Nicaragua für das Haus Villiger bereits gelohnt?

HV: Unser neues Werk wurde in einer Rekordzeit von weniger als einem Jahr errichtet und beschäftigt inzwischen rund 100 Mitarbeiter. Damit ist die Produktion rentabel. Wir produzieren ausschließlich „Handmade“ Cigarren zum Vertrieb über unsere Unternehmen in Deutschland und in der Schweiz, wobei wir die Produktion und Vertrieb von sogenannten „Handelsmarken“ für Drittfirmen nicht ausschließen. Das große Problem in Nicaragua ist zurzeit die „Knappheit“ an ausgebildeten Rollern, weshalb wir auch selbst Roller und Rollerinnen ausbilden.

KPW: Bei allerhöchstem Respekt vor Ihrem Alter und Ihrer Lebensleistung, aber unsere Leser und Liebhaber Ihrer Produkte würde es schon einmal interessieren, ob es im Unternehmen VILLIGER eine Nachfolgeregelung gibt und ob Sie uns dazu etwas sagen wollen?

HV: Es gibt eine alte Weisheit: „Niemand ist unersetzlich“. Wir sind ein Familienunternehmen, das sich vollständig im Besitz der Familie befindet. Damit sich dies nicht verändert, besteht ein sogenannter „ABV“ Aktionärsbindungsvertrag. Für die operative Führung haben wir heute schon ein Team von nicht der Familie angehörenden vier Geschäftsführern für die Sparten Produktion und Technik, Verkauf ‚Home-Markets‘, Verkauf ‚Export‘ und Administration. Darüber steht ein Verwaltungsrat mit einem Familienmitglied als Vorsitzender – zurzeit meine Position. Zum Zeitpunkt X – also nach meinem ‚Abtreten‘ einen Nachfolger zu finden, ist kein ‚unlösbares‘ Problem.

KPW: Und zum guten Schluss, welche Cigarre aus Ihrem Unternehmen/Cigarren-Portfolio würden Sie dem interessierten Genießer handgemachter Cigarren einmal zur Probe empfehlen?

HV: Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Vorweg: wir haben zwei „Sparten“: Handmade und Machinemade. Die Letztere sind vorwiegend Cigarillos (mit und ohne Filter) und ‚Spezialitäten‘ wie unsere Kiel-Cigarren, und die „Krummen“ und „Geraden“ Virginia Cigarren, die alle ausschließlich maschinell produziert werden – die „Virginia“ rauche ich auch gerne selbst, jedoch kaum ein Cigarillo. Die „Crème de la Crème“ sind jedoch die Handmade, die wir in drei Ländern produzieren: in der Dominikanischen Republik, in Brasilien und in Nicaragua. Zur Probe würde ich dem verwöhnten Cigarrenliebhaber unsere „Villiger do Brasil“ empfehlen, die wir in einer eigenen Produktion im Innern des Gliedstaates Bahia, dem Zentrum des brasilianischen Tabakanbaus, herstellen. Einlage, Umblatt und Deckblatt sind alles Brasil-Tabake, die beim Konsumenten zu Unrecht als „kräftig“ beurteilt werden. Diese „Villiger do Brasil“ gibt es sowohl mit einem dunklen, als auch mit einem hellen Deckblatt. Die dunklen Deckblätter sind sogenannte „Bauern“-Tabake, die hellen werden auf einer Plantage angebaut. Sie sehen: ich habe eine besondere Liebe zu Brasil-Cigarren.

KPW: Doch noch eine Anmerkung. Wir nähern uns Weihnachten und wir beide haben zum Jahreswechsel in den vergangenen Jahren stets einen gegenseitig anerkennenden Schriftverkehr geführt. Wie mir bekannt ist, verfassen Sie solche Texte ganz persönlich zu später Stunde an Ihrer Schreibmaschine – und dazu habe ich ein Bild aus einem früheren Bericht (Foto2) aufbewahrt. Ich probiere es zu Weihnachten weiter handschriftlich ;-).

HV: Ich schreibe gerne und ich schreibe gerne „nach alter Väter Sitte“ mit der Schreibmaschine. Hierfür dienen drei alte IBM Schreibmaschinen – eine steht in meinem Büro für das Tagesgeschäft, die zweite in meinem “Studio“ unter dem Dach des Verwaltungsgebäudes und die dritte bei mir zu Hause. Nach meinem Ableben werden die wohl verschrottet – nicht mehr mein Problem. Aber auch unsere guten Cigarren gehen in Rauch auf. So ist der Lauf des Lebens.

KPW: Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben – und dann bis die Tage mit der Weihnachtspost.

https://www.villiger.ch