Ende eines Klassikers in Aachen

„Pfeifenstudio Tabak Jurewicz“ macht den Laden dicht

(aa/sp/sp) Das Ende einer Ära: Uschi und Dieter Jurewicz haben mit ihrem Geschäft nicht nur eine Institution im Frankenberger Viertel in Aachen geschaffen, sondern auch „ihren“ Neumarkt entscheidend mitgeprägt. Seit Tagen kursierten die Gerüchte, zumeist in wehmütigem, noch ungläubigem Ton. Aber leider stimmt es: Die Stadt Aachen verlor zum Ende des Jahres ein Markenzeichen ihres Einzelhandels – und das Frankenberger Viertel eine Seele. Nach 44 Jahren schlossen Uschi und Dieter Jurewicz ihre kultige Fundgrube für Zeitungen und Lotto, Pfeifen und Tabak, Whisky und Allerlei – und damit eine tägliche Drehscheibe für Gespräche, Austausch und Begegnungen. „Die Entscheidung ist uns wirklich sehr schwer gefallen. Aber gesundheitliche Rückschläge in letzter Zeit haben uns zu denken gegeben“, sagen die beiden, die im Volksmund längst unter dem Label „Bürgermeisterpaar vom Neumarkt“ firmieren. Und das zu Recht.

Uschi und Dieter Jurewicz (72 und 73 Jahre) haben „ihren“ Neumarkt, diesen tatsächlich größten Platz der Stadt Aachen, seit 1974 entscheidend mitgeprägt. Als Anwohner, Bürger und Händler, vor allem aber als leidenschaftliche Frankenberger. Initiative und Tatkraft, Ideen, Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit – all das hatte seine Wurzeln bei „d´r Jurewitsch“, dem Kürzel für diese Frankenberger Institution. „Wir haben manchen Wandel und Generationenwechsel im Viertel erlebt“, resümieren sie. In dem von Neoklassizismus und Jugendstil geprägten Viertel ließ sich in den 80er und 90er Jahren ein bunter Mix an Freiberuflern und Lebenskünstlern nieder und verbreitete den alternativen Chick.

Es sind gerade die vielen kleinen menschlichen Momente, die von der alltäglichen Zugewandtheit des Ehepaares berichten. 52 Jahre verheiratet, 44 Jahre Ladenbesitzer. Von morgens bis abends zusammen. Dienstlich und privat. Wie geht das? „Ganz einfach. Ich bin im Laden vorne zuständig, Dieter hinten“, sagt Uschi pragmatisch. Unterstützt wurde Uschi von der treuen Mitarbeiterin Gaby Schröder. Dieter sagt: „Wir gehören halt zu der Generation, die noch repariert und nicht sofort weggeworfen hat.“ Hinzu kommt ein Glücksfall bei diesem Paar: Beide sagen „Chef“ zueinander – und leben das auch. In gegenseitigem Respekt. Bei „Dieter hinten“ herrscht der Zauber hunderter Pfeifen aus edlem Bruyère-Holz, die bis zu 4000 Euro kosten können, handgeschnitzt von den bekanntesten Pfeifenmachern der Welt. „Es kommt ja keiner aus Amsterdam zu mir, um eine Zeitung zu kaufen“, freut sich der gut vernetzte Händler über Kundschaft auch „quer durch Deutschland“. Sein legendärer Tabak „Neumarkt Special“ wird sogar in Katar und Bahrain geraucht. So überstand das Fachgeschäft auch die vielen Rauchverbote seit Mitte 2000 relativ unbeschadet. Ob bei Pfeifen, Cigarren oder Cigarillos: „Im Gegenzug ist der Genussfaktor gestiegen“, meint Dieter Jurewicz. Klasse statt Masse. Das war sein Ding. Und das gilt auch für seinen Edel-Whisky „Neumarkt Special“, exklusiv in Schottland abgefüllt: „Man muss dem Kunden halt gut zuhören und daraus etwas kreieren“, verrät der Kaufmann am Ende seiner Laufbahn seine Erfolgsdevise.

Wie sehen die beiden die Zukunft ihres Lebenswerkes? Tochter Gabi hat sich als erfolgreiche Sängerin und Stimmtrainerin längst anders orientiert. „Schwieriges Thema“, grübelt der Chef. „Uns ist es bisher nicht gelungen, einen geeigneten Betreiber zu finden. Und zwar einen, der Gespür für dieses Geschäft hat – und nicht einfach nur einen Kiosk machen will.“ Für beide steht fest: „Lieber keinen Nachfolger als einen schlechten.“ Damit hatte das „Pfeifenstudio Tabak Jurewicz“ seinen letzten Verkaufstag am 29. Dezember 2018 – einem Samstag. Nach dann genau 44,5 Jahren. Nach knapp 2900 Wochen Vernetzung mit dem Neumarkt und dem Ort der Begegnung zwischen Jedermann und Jederfrau. Geschlossen nach rund 14.000 Öffnungstagen.

Der WDR war vor Ort: https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLTk2ODM2YzQyLWRmNmQtNDRhYy1iZDI3LWYzMDQ0OTliYWMzNA/schluss-nach-ueber-40-jahren-tabak-jurewicz-im-frankenberger-viertel