Die schwarze Seele der Insel: „Palo“ aus Mallorca

Die Renaissance des „Palo“ – Bittersüß und längst nicht nur als Aperitif gefragt

(pm/sp) Sehr dunkel, bittersüß und leicht cremig: Der Palo ist ein Produkt made in Mallorca par excellence. Und er hat Tradition. Denn der Likör enthält Enzianwurzel und Chinarinde. Und dieser Enzian fand schon im 16. Jahrhundert als Heilmittel auf Mallorca Verwendung. Er wurde, wie die Chinarinde, bereits damals nach Spanien importiert und auch in den Insel-Apotheken angeboten – als Arzneimittel. Das verraten die Archive. Schrecklich bitter war allerdings dieses Elixier mit diesen beiden Ingredienzien, das aber gegen Magengrummeln, Durchfall und Fieber seine wohltuenden Dienste tat. Was ein Segen war. Denn auf Mallorca gab es zum Beispiel zu jener Zeit einige Feuchtgebiete, in denen es vor Stechmücken nur so wimmelte. Sie übertrugen Malaria. Doch Ende des 19. Jahrhundert trat eine wundersame Wandlung ein. Denn aus dem Medikament wurde ein Getränk. Und weil die Zutaten nun mal einen ziemlich bitteren Geschmack hervorriefen, versüßte man das Ganze kurzerhand mit einem Sirup, der mal aus Zucker, mal aus Trauben, getrockneten Feigen und Johannisbrot gewonnen wurde. Fertig war der bittersüße Likör „Palo“. Jedenfalls so gut wie. Denn der Mix begann rasch zu fermentieren. Da half nur eines aus Sicht der Insulaner: Man fügte Alkohol hinzu, um ihn haltbar zu machen.

Heute, über 120 Jahre später, gehört der „Palo de Mallorca“ zu den bekanntesten Getränken der Insel. Die Spirituose war seinerzeit auch die erste, die mit dem amtlichen Gütesiegel und der regionalen Herkunftsgarantie „Indicació Geogràfica” ausgezeichnet wurde. Seitdem ist der „Palo“ in aller Munde! Was an diesem Spiel zwischen Süße und Bitternoten liegen mag. An seinem langen Nachhall, bei dem zunächst die lieblichen Nuancen dominieren, denen dann bittere Töne folgen und als letzter Eindruck im Gaumen zurückbleiben …

So erlebt der „Palo“ aktuell eine Renaissance. Denn er taugt zu so viel mehr als nur zu einem Aperitif – pur, mit Eis, einem Spritzer Soda und vielleicht noch einem Scheibchen erfrischender Zitrone, wie er gern in Mallorcas urtypischen Lokalen serviert wird. Denn: Auch die Cocktailbars haben sie entdeckt, Mallorcas schwarze Seele, mit der sich so wunderbar hippe Mixgetränke zaubern lassen. Da kommt Palo mit Blutorangensaft, Soda und zerstoßenem Eis daher. Oder geht mit Orangensaft und etwas Vanilleeis eine köstliche Liason ein.

Auch die Küchenchefs der Insel werfen gern und vermehrt einen Blick auf dieses heimische Produkt, etwa wenn sie damit einer glasierten Ente mit Kräutern den besonderen Touch verleihen oder geräucherte Taube mit einer Gelatine auf „Palo“-Basis auf den Tisch bringen. Selbst Sternekoch Adrián Quetglas aus Palma verfeinert schon mal seinen cremigen Tintenfisch-Reis mit einem „Palo“-Schäumchen…

Gewiss trägt zur Beliebtheit des Palo auch bei, dass viele Touristen es einfach mögen, solche lokalen Besonderheiten zu kosten, um so noch ein wenig mehr auf den Geschmack der Insel zu kommen. Und sie werden ja wiederkommen, die Urlauber … Jedenfalls betrug die Produktionsmenge des Palo de Mallorca nach Angaben des Kontrollrats für die Herkunftsbezeichnung zuletzt rund 37.000 Liter pro Jahr. Preislich liegt er im Handel auf der Insel zwischen sieben und zwölf Euro pro 0,7 Liter-Flasche.

In fünf Destillerien wird der „Palo de Mallorca“ mit Herkunftsbezeichnung abgefüllt. Das Ganze ist eine recht pure Angelegenheit: Denn das bittersüße Schnäpschen enthält – neben Chinarinde, Enzianwurzel, Zucker und karamellisiertem Zucker – weder künstliche Aroma- noch Farbstoffe. Der Hochprozentige hat es allerdings in sich: Er hat tatsächlich zwischen 25 und 36 Prozent Alkohol.

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