Die Geschichte der rauchenden Frauen in der Retrospektive

Wie Zigarette und Cigarre in Frauenhand gelangten

(Gastbeitrag) Tabak wird seit über 12.000 Jahren geraucht, gepafft, geschnupft oder gekaut. Bei Ausgrabungen in Utah fanden Forscher 2021 heraus, dass Tabakkraut bereits vor 12.300 Jahren von den Jägern und Sammlern konsumiert wurde. Männer und Frauen kauten es womöglich gemeinsam am Feuer. Das eigentliche Rauchen allerdings blieb jahrhundertelang der männlichen Bevölkerung vorbehalten. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts eroberten sich Frauen in der westlichen Welt das Recht auf die Zigarette.

Rauchende Frauen – ein seltener Anblick in der Geschichte
Heute sind Zigarette oder Vape zwischen weiblichen Lippen oder Fingern kein Anblick, der Umstehende zum staunenden Starren bringt. Anders war es noch vor dem 20. Jahrhundert. Rauchen galt damals als unweiblich. Eine Frau, die dennoch zur Zigarette oder gar Cigarre griff, löste schnell empörtes Schnauben in der Männerwelt aus. Das bedeutet natürlich nicht, dass es in der Geschichte keine rauchenden Frauen gab. Eine davon war die deutsche Schriftstellerin Louise Aston, die sich im 19. Jahrhundert für die Frauenbewegung einsetzte. Sie brüskierte die Männerwelt mit dem Satz: „Ich rauche Cigarren und glaube nicht an Gott.“ Was von beidem in der damaligen Gesellschaft mehr Aufruhr verursachte, lässt sich kaum sagen.

Ebenfalls berühmte Raucherinnen waren:

  • die Künstlerin Frida Kahlo
  • die Philosophin Hannah Arendt
  • die Schriftstellerin Virginia Woolf

Dabei galten Frauen, die sich dem von der Gesellschaft doktrierten Rauchverbot des weiblichen Geschlechts widersetzten, als sittenwidrig. Nicht selten wurde das Rauchen gar mit einer losen Moral gleichgesetzt.

Warum Frauen das Rauchen verwehrt wurde
Im 17. und 18. Jahrhundert sah es mit der Akzeptanz von Frauen, die Tabak konsumierten, noch ganz anders aus. Damals war die Verwendung von Schnupftabak in der europäischen Aristokratie gesellschaftsfähig – bei beiden Geschlechtern. Ende des 18. Jahrhunderts übernahmen auch bürgerliche Frauen in einigen Regionen Deutschlands das Schnupfen. Selbst das Rauchen von Pfeifen wurde in dieser Zeit nicht kritisch beäugt. Das änderte sich allerdings zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Rollen von Frau und Mann gesellschaftlich neu definiert wurden. Es kam zu einer Polarisierung der Geschlechtercharaktere. Das Weibliche sollte das Männliche ergänzen, statt ihm nachzustreben. Infolgedessen begegneten rauchenden Frauen zunehmend Spott und Missbilligung. Vornehmlich im Bürgertum wurde der weibliche Tabakkonsum als ungehörig angesehen. Rauchen sollte daher den Männern vorbehalten bleiben. Diese zogen sich in eigens eingerichtete Territorien zurück, um die weibliche Gesellschaft vom Tabak abzuschirmen. Die Herrenzimmer, Raucherklubs und Raucherlounges entstanden.

Erst in den Goldenen Zwanzigern demokratisierte sich das Rauchen wieder
Das Rauchen blieb bis zum frühen 20. Jahrhundert rigoros der Männerwelt zugeordnet. Dementsprechend eignete sich der Tabakkonsum gut als Symbolträger für die Emanzipationsbewegung. Um sich gegen das veraltete Bild des Weiblichen aufzulehnen, griffen Frauen vermehrt zur Zigarette und drangen damit bewusst in männlich konnotierte Domänen ein. Die Rollenverteilung von Mann und Frau befürwortete in damaliger Zeit die Diskriminierung des Weiblichen, denn die Frau sollte sich ihrem Mann unterordnen. Dieses Rollenbild wurde von der rauchenden Frau – dem Symbol für Emanzipation – existenziell bedroht. Raucherinnen erwartete daher harsche Kritik, Hohn und Spott. Karikaturen aus dem späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert stellten sie entweder lächerlich, pflichtvergessen und unweiblich oder als gefährliche Verführerinnen dar. Die rauchende Frau – so die Sozialkritik – imitiere männliche Verhaltensweisen, ohne diese zu verstehen. Wer jedoch an eine Diva der 1920er denkt, hat schnell eine elegante Dame mit Schönheitsfleck über der Lippe und Zigarettenspitze zwischen den Fingern vor Augen. Wie kommt das? Schuld ist die zunehmende Verbreitung des bewegten Bildes. Die 1920er-Jahren gelten heute als das goldene Kinozeitalter in Deutschland.

Zu den damals erschienenen Filmen, die noch immer Kultstatus genießen, gehörten:

  • „Das Kabinett des Dr. Caligari“ von Robert Wiene
  • „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ von Fritz Lang
  • „Der blaue Engel“ von Josef von Sternberg

Die weibliche Hauptrolle in „Der blaue Engel“ übernahm niemand Geringeres als Marlene Dietrich, die die Kunst des Rauchens in Vollendung beherrschte. Bereits 1929 trat sie im eleganten Frack auf dem Berliner Presseball auf. Eine Fotografie von Albert Eisenstaedt zeigt sie dort in berühmter Pose. Die linke Hand steckt lässig in der Hosentasche, die rechte Hand hält eine Zigarette. Die Leinwanddiva machte das Rauchen schick und für Frauen gesellschaftsfähig. Eine Frau mit Zigarette galt zwar noch immer als unangepasst. Daraus resultierte jedoch nicht länger ein negatives Image. Stattdessen wurden rauchende Frauen als willensstark, geheimnisvoll und erotisch betrachtet. Weitere Leinwandheldinnen untermalten dieses Bild. Zu ihnen gehörte die Hollywoodschönheit Audrey Hepburn. In ihrem 1961 erschienenen Kultfilm „Frühstück bei Tiffany“ mimte sie mit Holly Golightly eine exzentrische New Yorkerin. Deren Markenzeichen: eine elegante Zigarettenspitze. Die Zigarette in zierlichen Frauenhänden bekam in den 1950er- und 1060er-Jahren eine sinnliche Komponente. Sie entwickelte sich zunehmend zum Accessoire der Verführerin. Dieses Image machte sich die Tabakindustrie zunutze und setzte mehr und mehr weibliche Hollywoodstars als Werbegesichter für Zigaretten ein.

Rauchende Hollywoodschönheiten wurden Zugpferde der Tabakindustrie
Rund 200 Schauspieler machten bereits in den 1930er- und 1940er-Jahren Werbung für Zigaretten und erhielten dafür jährlich bis zu 75.000 US-Dollar.

Zu den rauchenden Stars der damaligen Zeit zählten:

  • Joan Crawford
  • Betty Grable
  • Bette Davis

Später kamen die bereits genannten Kultdiven Marlene Dietrich und Audrey Hepburn dazu. Ab den 1960er-Jahren war Zigarettenwerbung im US-Fernsehen allgegenwärtig. Rund elf Prozent der Werbeeinnahmen verdankten die fast 700 Sender der Tabakindustrie. In deutscher Zigarettenwerbung waren Hollywoodsternchen übrigens weniger bedeutend. Eines der bekanntesten Zigarettenwerbegesichter hierzulande war das HB-Männchen Bruno. Die Zigarette in Frauenhand gewann in Deutschland ab den 1950er-Jahren an Akzeptanz. Einerseits setzte die weibliche Bevölkerung damit bewusst ein Zeichen gegen die NS-Propaganda aus dem vorherigen Jahrzehnt, in der es hieß: „Die deutsche Frau raucht nicht.“ Andererseits waren Zigaretten in den 1950ern günstig zu bekommen.

Bis ins Jahr 2003 stieg die Zahl der Raucherinnen
Bis in die 1950er-Jahre wurden Raucher und Nichtraucher in der deutschen Bevölkerung noch als gleich sympathisch wahrgenommen. Dieser Eindruck wandelte sich langsam ab den 1970er-Jahren, in denen das bewusste Nicht-Rauchen in Mode kam. Nichtraucher wurden zu Sympathieträgern. In den 1980er-Jahren galten sie zudem als beruflich erfolgreicher. Dennoch stieg in dieser Zeit die Anzahl rauchender Frauen in Deutschland wieder an. Rund 27 Prozent der weiblichen Bevölkerung griff zur Zigarette. Bis zum Jahr 2003 rauchte ein Drittel der erwachsenen Bundesbürgerinnen. 2021 ließen sich knapp 20 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung Cigarre, Zigarette oder E-Zigarette schmecken. Während sich 23 Prozent der Männer ab 18 Jahren als Raucher bezeichnen, sind es bei den Frauen nur 17 Prozent.