Deutscher Whisky: Mehr als Brauner Korn

Ein Falstaff-Ergebnis / 200 Erzeuger in Deutschland aktiv

(pm/sp) Nicht nur, dass es mehr deutsche als schottische Whisky-Brenner gibt – vom Biogetreide bis zur Reifung im Spätburgunder-Fass oder in der Nordsee ist die Szene experimentierfreudiger denn je.

Im Land der Korn-Trinker ist gebranntes Getreide ein alter Hut – „Distilled and bottled in Nordhausen“ stand sogar in der DDR am Etikett des „Smoky Springs«. Während in der BRD „Racke rauchzart“zum Whisky-Dauerbrenner der 1960er-Jahre wurde – ein Blend schottischer Malts mit heimischen Getreidebränden –, hatte Ostdeutschland mit „Falckner«, „Great Master“ und „Blue River“ gleich mehrere „Whiskys“auf Lager, wobei einige lediglich im Stahltank „reiften«. Mit Skurrilitäten wie dem „Kiwi“(Whisky mit Kirschgeschmack) versanken die Produkte des VEB Bärensiegel in Berlin-Adlershof aber mit dem Arbeiter- und Bauernstaat.

Der erste drei Jahre im Fass gelagerte Whisky, der somit auch nach EU-Definition so heißen durfte, war aber die „Blaue Maus«. 1983 legte Robert Fleischmann im fränkischen Eggolsheim den Getreidebrand mit dem schrägen Namen vor. Die Boom-Jahre des Single Malt made in Germany begannen aber in diesem Jahrtausend. Selbst der Staat mischt hier seit 2009 mit – „Black Forest“ erzeugt die Badische Staatsbrauerei mit der Karlsruher Destillerie Kammer-Kirsch. Mittlerweile haben die laut dem Verband Deutscher Whiskybrenner rund 200 Erzeuger des „Lebenswassers“ in der Bundesrepublik längst die 122 aktiven schottischen Destillerien überflügelt. Wobei man den Vergleich ungern hört: „Es würde wohl niemand auf die Idee kommen, die Weinbereitung an verschiedenen Orten der Welt so polemisch zu begleiten, wie gerade deutsche ›Whisky-Kenner‹ dies mit Produkten, die nicht aus Schottland kommen, ab und zu tun“, ist etwa Klaus Georg Gemmer das permanente Schielen nach einem Vorbild leid.

Der eigenständige Stil seines „Georg IV“ aus dem Rheinland manifestiert sich unter anderem in der Lagerung. Fässer aus dem Spessart geben die Kante, ein weiteres Jahr in Süßweinfässern aus Banyuls rundet den Whisky aus dem Landgasthaus ab. Mit rund 600 Litern Jahresproduktion gehört Gemmer zu den kleinen Erzeugern der Szene. Doch längst sind die Lagerzeiten länger als drei Jahre, Bioqualitäten werden vermehrt auch bei deutschem Brenngetreide angeboten, wie etwa der „Carls Single Malt“ aus dem Harz zeigt. Der sechsjährige Brand aus Thomas Demmels Öko-Landwirtschaft Fallenstein in Huy entsteht als echter Farmhouse Whisky. Ähnlich überschaubar und familiär hält man es bei der Brennerei Thousand Mountains in Kallenhardt, wo der „Mc Raven“ zumindest einen Hauch Highlands ins Sauerland bringt.

Kleinheit und Authentizität sind Stärken der Single-Malt-Szene, doch auch technisch hebt man sich ab. Wo bei den Schotten verpflichtend in Eiche gereift werden muss, hat man in Deutschland eine breitere Palette an Fasshölzern. Bei Ziegler im baden-württembergischen Freudenberg etwa kommt auch Kastanie („Aureum 1865 Chestnut Cask«) zum Einsatz. Auffallend: Etliche der deutschen Produzenten sind auch Brauer, etwa der für sein Rotbier bekannte Altstadthof von Reinhard Engel in Nürnberg. Er verwendet auch beim „Ayrer’s Red«, einem Bio-Whisky, das fränkische Spezialmalz, das für den weichen Geschmack des traditionellen Bier-Stils sorgt. Wie Nürnberg war auch Wismar eine Bier-Hochburg des Mittelalters, verblieben ist in der Hansestadt von 183 Brauhäusern nur das am Lohberg, hier sorgt heute Stefan Beck auch für eine kleine, aber feine Auflage von 1100 Flaschen Whisky, die den Namen der Ostsee auf Gälisch („Baltach«) in die Bars hinaustragen.

Ähnlich begann auch Rudi Vogel – Betreiber dreier Kleinbrauereien rund um Karlsruhe – mit Gerstenmalz und Hopfen. Seine Single Malts „Eagle“ und „Black Bird“ werden mit je 50 Prozent gefüllt und reifen in Pfälzer Eiche: „Die Süße sowie das angenehm Fordernde beruhen auf dem wertvollen Holz unserer Heimat«, ist Vogel überzeugt. Während die Verbindung zwischen Single Malt und Braumalz naheliegt, hat auch die deutsche Weinkultur die Whisky-Szene beeinflusst. Spätburgunder-, aber auch Muskateller-Fässer setzt Thomas Sippel für seinen „Palatinatus«-Whisky ein. Selbst der Name der Brände spielt auf das größte Weinbaugebiet des Landes an – den alten Namen der Pfalz fand Sippel im Schulbuch seines Großvaters.

Auch abseits der Weinregionen ersetzen die ausgedienten Fässer mitunter die allgegenwärtigen Ex-Bourbon Casks: Birgitta Rusts „Hanseatic Single Malt Whisky“ etwa reift in einem Mix aus Rotwein-Barriques und kleinen US-Fässern à 27 Gallonen (100 Liter). Und dann sind da noch die ganz Großen: Im brandenburgischen Schlepzig liegt bei den Spreewood Distillers Stoff für gut 140.000 Flaschen des bereits einmal als bester Rye der Welt ausgezeichneten „Stork Club“. „Slyrs“ am Schliersee, die Whisky-Tochter der Destillerie Lantenhammer, hat zum heurigen 20-Jahr-Jubiläum 200.000 Flaschen Jahresproduktion, pflegt aber auch das Experiment. So lagern 30 Whiskyfässer an Deck eines Kutters vor der Insel Sylt, 50 weitere schickt man per Skilift (!) auf den 1506 Meter hohen Stümpfling. Die auf 400 Hektar Landwirtschaft zurückgreifende Destillerie Finch auf der Schwäbischen Alb wiederum hat mit 250.000 Litern Maximalproduktion die kleinste schottische Whisky-Brennerei Edradour (100.000 Liter) klar überflügelt.

Der Boom geht weiter. 2019 kam die erste Abfüllung von St. Kilian in Rüdenau bei Würzburg in einer Auflage von 20.000 Flaschen auf den Markt, die Kapazität der Destillerie beträgt 200.000 Liter pro Jahr. Master Distiller Mario Rudolf begann im Odenwald mit einem Multi-Cask-Whisky aus Bourbon-, Rum-, Sherry- und Kastanienfässern. Für die zweite Abfüllung setzt man drei Gebindegrößen (325, 225 und 50 Liter) ein, auch beim Malz mischt man vier Sorten. Denn eines ist deutscher Whisky nie: langweilig!

https://www.falstaff.de/