Der Kister Rauchclub „Gemütlichkeit“ lebt die Gemütlichkeit

Club wurde 1891 gegründet

(zt/sp) Hans Weppert ist Nichtraucher – meistens zumindest. Eigentlich nicht weiter ungewöhnlich, ist dieser Umstand dennoch kurios: der 62-jährige Feuerwehrmann ist nämlich Vorsitzender des alteingesessenen Rauchclubs „Gemütlichkeit“ in Kist (Lkr. Würzburg). In dem 130 Jahre alten Verein geht es heute jedoch, anders als der Name vermuten lässt, gar nicht mehr vorrangig um das Rauchen: „Es geht um das Schöne außenrum und es geht um die Gemütlichkeit“, sagt Weppert.

Das „Schöne“ sind für den Vereinsvorsitzenden die Erinnerungen an ausgiebige Wanderungen in der Rhön, Grillabende mit Spanferkel über offenem Feuer, Bullenreiten mit der Kister Dorfjugend und vor allem auch die Weihnachtsfeier in der Kister Wirtschaft „Zum Hirschen“, bei der die Mitglieder gemeinsam Gedichte aufsagen, Lieder singen und in aller Seelenruhe gutes Essen genießen. „Diese Weihnachtsfeier ist einfach spitze“, sagt Weppert.

80 Minuten Wettkampf gegen Landrat aus Rhön-Grabfeld

Unvergesslich sind für ihn auch die Rauchturniere, an denen die Clubmitglieder etwa zwei Mal pro Jahr teilnehmen. Für diese Wettbewerbe macht Weppert gerne eine Ausnahme vom Nichtrauchen: „Wenn ich auf einer der Veranstaltungen mitrauche, dann merke ich: ich habe ganz viel Zeit. Das ist die Gemütlichkeit“, sagt er. Eine große Rolle spiele dabei auch die Abwechslung vom stressigen Alltag – die Gedanken einmal auf ungewöhnliche, ja kuriose, Dinge zu lenken und damit aus dem täglichen Trott auszubrechen. So etwa Ende der 90er Jahre in Oberelsbach (Lkr. Rhön-Grabfeld), als der Rauchclub gegen den damaligen Landrat Fritz Steigerwald mit der Pfeife um die Wette paffte.

„Es war ein Wettkampf, an Spannung kaum zu überbieten“, so beschreibt ein Beitrag dieser Redaktion das Turnier, in dem es darum ging, eine Pfeifenladung so lange wie möglich glimmen zu lassen. 80 Minuten habe der Wettkampf gedauert. „Landrat Dr. Fritz Steigerwald und Hans Weppert lieferten sich ein erbittertes Duell“, so der Bericht weiter. Am Ende siegte der Landrat – wegen technischer Umstände, wie der zweitplatzierte Weppert mit einem Augenzwinkern sagt: „Ich hab ihn gewinnen lassen, weil seine Pfeife auseinandergebrochen ist.“

Nur noch Rauchclub und CSU kommen regelmäßig ins Gasthaus „Zum Hirschen“

Rund 130 Jahre schon gibt es den Rauchclub in Kist. Gegründet wurde er 1891. In der damals politisch oft angespannten Stimmung, so Weppert, sei es als eingetragener Rauchclub einfacher gewesen, sich von der Obrigkeit ungestört über gesellschaftliche Themen auszutauschen. Unterbrochen vom zweiten Weltkrieg, wurde der Verein 1950 wieder aktiv, ist der Vereinschronik zu entnehmen. „Fern von der Politik“ sollte er sein. Auch sollte „das Vereinslokal immer im Gasthaus Hirschen bleiben“.

Elke Eck ist die Wirtin im Hirschen. Sie hat beobachtet, wie sich im Laufe der Jahre immer mehr Vereine aus dem Gasthaus zurückgezogen haben. Inzwischen kommen nur noch die CSU und der Rauchclub regelmäßig dorthin. Nur im Moment ist das natürlich wegen der Corona-Maßnahmen nicht möglich. „Traditionen werden immer weniger gepflegt“, sagt sie und seufzt. „Kaum einer nimmt sich heute noch bewusst Zeit.“ Außer eben die Leute vom Rauchclub, die wüssten noch, wie man anständig zur Ruhe kommt. Das schätzt sie am Verein.

Nach seinem Neustart 1950 hat sich der Rauchclub stetig gewandelt. Man habe immer stärker das Soziale in den Mittelpunkt gestellt und weniger das Rauchen, sagt Weppert. Stolz ist der Verein etwa auf eine Spende von 8000 Mark, die er einst für leukämiekranke Kinder gesammelt hat. Das war zu den Hochzeiten vor der Jahrtausendwende, als die meisten der heutigen Mitglieder noch in der Blüte ihrer Gesundheit standen. Rund 130 Mitglieder hatte der Verein damals. Heute, sagt Weppert, zähle der Verein noch 92 – es sind Großteils dieselben wie damals. Der Altersdurchschnitt liegt bei 70 Jahren. Nachwuchs kommt kaum noch hinzu.

Rauchen ist heute gesellschaftlich verpönt. Auch der Rauchclub hat eine Wandlung durchgemacht: Nur noch etwa die Hälfte der Mitglieder raucht – meistens Zigarillo oder Pfeife. Seinen Enkelkindern (elf und neun Jahre alt) würde Hans Weppert raten, nie zu Rauchen. Eine Mitgliedschaft im Rauchclub legt er jungen Menschen trotzdem ans Herz. „Der Club ist für alle da.“ Um junge Menschen für die eigene Sache zu gewinnen, arbeitet der Vorsitzende gerade an einer Homepage für den Verein. „Vielleicht erreichen wir damit die vielen jungen Familien, die in letzter Zeit nach Kist gezogen sind.“

Dann, das ist Wepperts Hoffnung, klappt es neben der immer noch schönen Weihnachtsfeier vielleicht auch wieder mit all den tollen Erfahrungen, die die Mitglieder so nachhaltig geprägt haben: Die Spanferkelfeste und die Wanderungen. Das Bullenreiten und die Rauchturniere. Alle paar Monate, so Weppert, dürfe man nämlich auch heute noch gemütlich einen wohlschmeckenden Pfeifenkopf genießen.

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