ABAM‘ – Villiger’s unbekannte Cigarren-Fabrik in Santo Domingo

Ein Blick hinter die Kulissen / Eine Veröffentlichung im CigarJournal aus dem Herbst 2017

(pm/sp) Um zur Fabrik zu gelangen, machen wir uns nicht etwa zur Cigarrenhauptstadt Santiago de los Caballeros im Norden des Landes auf – wir finden sie in einem Randbezirk der Hauptstadt Santo Domingo. Hierhin hat es Matías Maragoto nach seiner Ausreise aus Cuba verschlagen. In nur zwanzig Jahren schaffte es die Familie eine Fabrik zu etablieren, die heute 170 Mitarbeiter beschäftigt und beständig wächst. Dabei war den Maragotos der Weg zum Tabak keineswegs vorgezeichnet. Maragotos Onkel Adalberto Ruizcalderón trat mit dem Vorschlag an sie heran, ins Cigarrengeschäft einzusteigen. Er stellte auch die ersten Tabake zur Verfügung – während des Cigarrenbooms kein leichtes Unterfangen – und stand der Familie beratend zur Seite. Das war 1996.

Wir machen eine Runde durch die geräumige Anlage. In der Galera gehen achtzig Torcedores ihrer Arbeit nach – unser Blick fällt auf frisch gerollte Cigarren wie Flor de Ynclan, 1888 und La Libertad. In manchen Räumen sind Mitarbeiter mit der Herstellung der klassischen Villiger-Kisten beschäftigt, in anderen beringen Mitarbeiterinnen Corrida-Cigarren und sortieren sie in Kisten. In Matías‘ Fabrik entstehen mittlerweile alle dominikanischen Cigarren des Schweizer Familienunternehmens – er selbst ist für die Entwicklung der Blends verantwortlich. Es klingt erstaunlich, dass Villiger, der Grand Seigneur der europäischen Cigarrenbranche und selbst ein umfassend gebildeter Meister seines Faches, bei der Entwicklung neuer Cigarren so sehr auf Matias‘ Fertigkeiten vertraut. Mit den Maragotos verbindet ihn ein fast familiäres Verhältnis – seit Beginn der Zusammenarbeit arbeiten die beiden Unternehmer per Handschlag zusammen. Das Tabaklager finden wir in einer der neuen Anbauten. Hier lagern Blätter aus allen möglichen Provenienzen, die für etablierte und neue Blends benötigt werden. Der größte Teil davon stammt aus den Lagern der renommierten Familie Maruschke, mit der die Maragotos eng zusammenarbeiten. Sie kennen einander bereits seit den Anfangsjahren der Fabrik.

Als sich 1998 die Wege von Villiger und Maragoto kreuzten, war die ABAM-Fabrik erst auf ein neues Gelände inmitten einer Gegend umgesiedelt, in der Autowerkstätten die Straßen säumen. Der Schritt zur Anmietung der ungleich größeren Anlage war damals nicht unbedingt dem raschen Wachstum der Produktion geschuldet, doch in den Wohngegenden, in denen die Familie davor die Fabrik betrieben hatte, erzwangen missbilligende Anrainer den Auszug. Die mutige Entscheidung sollte sich bald als richtig erweisen: Ein Bekannter Maragotos trat an Villiger mit der Bitte heran, dem jungen Cigarrenfabrikanten aus Santo Domingo eine Chance zu geben. Die Muster jenes Blends, der später als Bock y Ca. auf den Markt kommen sollte, schickte Matías zusammen mit einer Preisliste nach Europa, doch die verhoffte Rückmeldung blieb aus. Auf Nachfrage traf der Cubaner auf Schweizer Verhandlungsgeschick: Villiger mochte die Cigarren, bestand jedoch auf einen niedrigeren Preis, den Matías ihm anfangs nicht einräumen wollte. Er meint, es wäre wohl auch eine Frage des Stolzes gewesen. Schlussendlich nachzugeben hat er jedoch nie bereut, und heute gibt er Villiger Recht. „Damals waren die Cigarrenpreise überteuert, aber es war ein guter Deal für Villiger“, meint er und schmunzelt verschmitzt: „Er ist sehr taff.“ Erst zwei Jahre später sollten die beiden Männer sich näher kennenlernen und das Fundament für eine bis heute enge Freundschaft legen. Beide Besucher des Festivals del Habano, fand Matías Heinrich Villiger eines Tages gemütlich plaudernd und Kaffee trinkend im Elternhaus seiner Frau Aidee vor. Villiger hatte sich auf die Suche nach seinem in Cuba verwurzelten Fabrikanten gemacht.

Wenn man ihn heute fragt, wie man das Vertrauen einer Branchengröße wie Heinrich Villiger erwirbt, meint Matías, es wäre wohl mitunter auch daran gelegen, dass sie ihn nicht bloß wie einen Klienten behandelt hätten – die Chemie mit der Familie hätte einfach gestimmt, und noch heute würde Villiger das Haus der Familie einem Hotel vorziehen. Klar muss jedoch sein, dass ein tabakversierter Mann wie Villiger eine so fundierte Kooperation wie mit ABAM nicht auf reine Sympathie begründet. Wir hören sogar, dass Villiger von der dominikanischen Fabrik spricht, als wäre sie Teil seines eigenen Konzerns, obwohl sie zur Gänze in der Hand der Maragoto-Familie liegt. Was beim Gang durch die Fabrik immer wieder ins Auge springt ist das ständige Bestreben der Maragotos, Herausforderungen anzunehmen und an ihnen zu wachsen. Das Geschick Josés, Matías Bruder, bessere Lösungen für die Arbeitsabläufe in der Fabrik zu finden, etwa die Entwicklung pneumatischer Pressen für die Roller, findet ihr Äquivalent in Matías Tüftelei an neuen Blends, die sich oft über Monate hinzieht, bevor er bereit ist, sie mit Heinrich Villiger zu teilen. Für Gladys Rodríguez‘ Rückmeldung, die lange in Cubas H. Upmann-Fabrik gearbeitet hat und nun die Qualitätskontrolle bei ABAM leitet, hat er dabei immer ein offenes Ohr. Als Vertraute Villigers kennt sie nicht nur dessen Präferenzen genau – auch sie ist eine Meisterin ihres Fachs. Und der grundlegende Konsens jedes Tabakmeisters ist, dass man bei Tabak nie auslernt.

Dieser Beitrag ergänzt den aktuellen smokersplanet.de-Artikel von Michael Blumendeller unter der Headline: „Zu Besuch in der ‚Villiger Cigar Lounge‘ in Santo Domingo (DomRep)“ unter dem nachfolgenden Link: