135 Jahre Villiger Söhne – Eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte in der Welt der Cigarre / Heinrich Villiger im Jubiläums-Interview

Von Pfeffikon (Schweiz) bis nach Esteli (Nicaragua) – in 135 Jahren und mit vielen Zwischenstationen / Hier in sechs Episoden aufgearbeitet

(pm/sp) Die letzten fast 14 Jahrzehnte haben viele Veränderungen für den international erfolgreichen Cigarrenhersteller gebracht, der einst im schweizerischen Pfeffikon den Grundstein legte – und die in einem bescheidenen Umfeld. Hier schuf Jean Villiger mit seiner Frau Louise Villiger den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte – die nicht unbedingt absehbar war. Die Villigers stellten in ihrem Haus in Pfeffikon im Kanton Luzern in der Schweiz Cigarren her. Damals hätte keiner der beiden Gründer den enormen Erfolg erahnen können, den das von ihnen gegründete Unternehmen eines Tages auf dem internationalen Tabakmarkt haben würde. Zur Entwicklung vom Anfang bis zum aktuellen Zeitpunkt am Jahresanfang 2023, haben wir Heinrich Villiger, der seit 1951 Villiger Söhne-Geschichte schreibt, befragt. Seine ganz persönlichen Statements finden Sie nachfolgend:

Zu den Anfängen: Als Sie 1951 die Geschäftsführung übernahmen, haben sie zeitnah das Unternehmen auf ein neues Level gebracht und neue Horizonte erschlossen. Gehen wir mal davon aus, dass Sie zu diesen Entscheidungen eher weniger auf Machbarkeitsanalysen zurückgegriffen haben. Alles Bauchgefühle aufgrund der nach und nach gewonnenen Erfahrungen?

Heinrich Villiger: Das Gründungsjahr unseres Unternehmens war 1888, als mein Großvater Jean Villiger in einem Nebenzimmer seines Wohnhauses in Pfeffikon, Kanton Luzern, begann, „Villiger Stumpen“ herzustellen. Vorgängig war er bei einem Cigarrenhersteller in Beinwil am See (Kanton Aargau) als Buchhalter beschäftigt. Er war also mit der Branche vertraut – und sein damaliger Arbeitgeber ermöglichte ihm den Start in die Selbständigkeit sogar mit einer finanziellen Unterstützung. Mein Großvater verstarb noch vor seinem 50. Altersjahr, wonach meine Großmutter Louise Villiger das Unternehmen weiter führte. Sie war es, die im Jahre 1910 die Tochtergesellschaft in Tiengen bei Waldshut gründete. Seit der späteren Übernahme des Unternehmens durch ihre beiden Söhne Hans und Max Villiger heißt die Firma VILLIGER SÖHNE – die verschiedenen „Töchter“ und Beteiligungen sind in einer Holdinggesellschaft mit Sitz in Rickenbach (Kanton Luzern) zusammengeschlossen. Hans Villiger hatte keine Kinder, mein Vater Max Villiger hingegen zwei Söhne, meinen Bruder Kaspar und meine Wenigkeit. Seit dem „Standortwechsel“ meines Bruders in die schweizerische Politik bin ich Alleininhaber des Unternehmens. Insoweit die Geschichte.

Wie ging es weiter?

Heinrich Villiger: Im Jahre 1950 – nach meinem Abitur – schickte mich mein Vater ein Jahr zur Ausbildung im Rohtabaksegment nach USA; Und dies sowohl für Zigaretten- als auch für Cigarrentabake – wir hatten damals noch eine Beteiligung von 50 Prozent an einem mittelständischen Zigarettenhersteller in der Schweiz. Dieses USA-Jahr hat mich vermutlich mehr „geprägt“ als ein mehrjähriges Studium – nach meiner Rückkehr im Jahr 1951 wurde ich bereits als Mitglied in unsere Geschäftsführung berufen, damals bestehend aus den beiden Brüdern Hans und Max Villiger. Es waren zwei Geschäftsbereiche, die mich nicht nur interessierten, sondern auch faszinierten – der Rohtabak-Einkauf und der Verkauf unserer Produkte, das heißt Marketing. Ich tourte die Welt und besuchte fast alle Anbaugebiete von Cigarrentabaken – und jeweils wieder „daheim“ beschäftigte ich mich mit dem „Marketing“, also dem Verkauf von Cigarren und Zigaretten. In diese Phase fiel auch die Mechanisierung der schweizerischen und deutschen Cigarrenindustrie – nach einer sehr langen Dauer eines “Maschinenverbotes“ für die Cigarrenherstellung in Deutschland, seinerzeit noch ein „Überbleibsel“ der national­sozialistischen Regierungen – heute nicht mehr nachvollziehbar. Man wollte damit wohl die Konzentration der unzähligen Kleinbetriebe zu einigen wenigen größeren Einheiten verhindern – vergebliche „Liebesmüh“, denn es ist letztlich der Markt, der entscheidet, in welcher Richtung sich eine Branche entwickelt. Aber das ist nicht der ‚Hintergrund‘ dieses Interviews, und deshalb lasse ich diese Frage „außen vor“. Die Frage ist: greifen Sie bei Ihren Entscheidungen mehr auf das „Bauchgefühl“ oder „Machbarkeitsanalysen“ zurück? Da muss ich gar nicht lange darüber nachdenken. Ich verlasse mich zu 90 Prozent auf mein Bauchgefühl, auch wenn ich mich damit sehr oft mit meinen engeren Mitarbeitern „anlege“. Aber mehr als 70 Jahre Branchenerfahrung lässt sich nicht einfach mit „Rechthaberei“ wegwischen.

Das erste Joint Venture 1989 mit Habanos S.A. – Wie entstand diese Kooperation? Sie waren ja in Cuba bereits gut vernetzt, wie das neudeutsch heißt.

Heinrich Villiger: Wie diese Kooperation entstand, ist heute – mehr als dreißig Jahre später – nicht mehr leicht nachvollziehbar. Aber der „Kern“ dieser Zusammenarbeit beruht auf einer „strategischen“ Entscheidung des damaligen Präsidenten des kubanischen staatlichen Tabakmonopols, Francisco Padrón, ein weltweites Distributionsnetz von Cigarrenimporteuren mit Beteiligung des Herstellers dieser Cigarren aufzu­bauen. Das ist Padrón, früherer Dozent für Betriebswirtschaftslehre an der Universität von Havanna, gelungen. Dieses „Netz“ firmiert unter dem Namen „Altabana S.A.“ und unsere beiden Joint-Ventures in der Schweiz und in Deutschland sind nicht nur ein Teil davon, sondern die beiden ersten nicht-cubanischen Firmen, die sich beteiligt haben. Diese Struktur erlaubt Tabacuba eine einheitliche, weltweite Marketing-, Preis- und Vertriebspolitik, die in unserer Branche einmalig ist, und dies in Verbindung mit einem qualitativ erst­klassigen Produkt – erstklassig in Bezug auf die Qualität des Rohmaterials, den Tabak, etwas weniger erstklassig in Bezug auf die Qualität der Herstellung, aber das ist die Folge der Handmade Strategie. Aber abgesehen davon: es gibt keine Maschine, mit der diese Cigarren ‚maschinell‘ hergestellt werden könnten.

Von 1999 bis 2006 folgten weitere Unternehmensgründungen in Indonesien, USA und Frankreich. Total unterschiedliche Märkte – auch total unterschiedliche Zielsetzungen für Villiger Produkte?

Heinrich Villiger: Die Antwort ist sehr einfach: einerseits ging es dabei um Vertriebsgesellschaften auf bedeutenden Cigarrenmärkten, hier USA und Frankreich. Andererseits geht es um Standorte in sog. „Niedriglohnländern“ für Arbeitsvorgänge, die nicht maschinell ausgeführt werden können, wie zum Beispiel die Deckblatt-Bobinierung in Indonesien. Selbstredend gehören auch unsere Standorte für die Herstellung von Handmade-Cigarren in Brasilien und in Nicaragua dazu. Erfreulicherweise entwickelt sich der weltweite Markt für hochwertige Handmade-Qualitätscigarren positiv, vor allem auch in den USA. So konnten in den Ländern Dominikanische Republik, Nicaragua und Honduras Tausende von neuen Arbeitsplätzen geschaffen werden. In den beiden erstgenannten Ländern sind wir dabei.

Villiger Handmade – 1998 war der Startschuss. Wie kam es dazu?

Heinrich Villiger: Die Entscheidung fiel damals in Brasilien. Ich befand mich zum Tabakeinkauf in Cruz das Almas, im Teilstaat Bahia – wo ich vor Jahr­zehnten schon mal – während meiner Rohtabak-Ausbildung – einige Monate verbrachte. Ich bin von diesem Land sehr angetan, von den Menschen, der überwältigenden Landschaften, der Stadt Rio de Janeiro – die ich mal im Helikopter überfliegen durfte – und natürlich auch vom Strand Copacabana. Und so erkundigte ich mich in Cruz mehr oder weniger beiläufig, ob hier auch Handroller zur Verfügung stehen würden. Die Antwort war positiv – und so starteten wir (mehr oder weniger nebenbei) mit einer kleinen Produktion von Handmade Cigarren mit den besten Tabaken aus dieser Anbauzone. Wegen der hohen Arbeitslöhne in Brasilien haben wir diesen Standort jedoch nicht ausgebaut – es bleibt bei rund einem Dutzend Mitarbeitern, die eine kleine Serie von ‚exzellenten‘ Handmade Cigarren für den Export nach Europa fabriziert. Aber es war der Startschuss zu einer grossen Investition in Nicaragua, wo wir gerade eine neue Fabrik mit rund 100 Beschäftigten eröffnet haben – ausschließlich Produktion von Handmade Cigarren.

2010 feierten Sie 100 Jahre Villiger Söhne GmbH in Waldshut und Ihren 80. Geburtstag. Welches Kopfkino spielt sich bei den Gedanken an dieses Jubiläumsevent bei Ihnen ab.

Heinrich Villiger: Die Jahre kommen und gehen. Das ist an sich keine besondere Leistung, sondern eine gegebene Automatik. Deshalb messe ich Jubiläen keine besondere Bedeutung bei. Sie kennen den schönen Spruch: „Man soll Feste feiern, wie sie fallen“. Das ist auch richtig. Ich meine, dass es keine besondere Leistung ist, dass man 90 Jahre alt wird. Wem habe ich das zu verdanken? Sicherlich in erster Linie dem „Zusammenspiel“ vieler positiver Komponenten, die man jedoch bei weitem nicht alle sich selbst zu verdanken hat. Deshalb sollte man solche Feiern in aller Bescheidenheit begehen.

Villiger Nicaragua – was war der Auslöser für dieses Engagement?

Heinrich Villiger: Der „Auslöser“ war einerseits die „Renaissance“ der Handmade Cigarre und andererseits vor allem auch meine persönliche Vorliebe für diese Fabrikate. Abgesehen davon liebe ich natürlich auch gutes Essen und feine Weine – nicht in großen Mengen – sondern als Köstlichkeiten. Im Gegensatz zu anderen Tabakerzeugnissen, die eher dem schnellen Genuss dienen (Frage: ist es dann noch „Genuss“ oder eher „Sucht“ ?) , vermag ich bei Cigarren keine außergewöhnliche Gefährdung der Gesundheit zu erkennen.

Noch einmal die Klassiker aus dem Hause Villiger – Tradition und Erfolgsgaranten verknüpft?

Heinrich Villiger: Es ist schon so: unsere Klassiker sind unsere Erfolgsgaranten. Das ist einmal unser VILLIGER EXPORT, ein klassischer Stumpen, jedes Stück in Seidenpapier eingerollt, in einer 5-Stück-Etuipackung. Und die für die Herstellung verwendeten Rohtabake? Das sind dieselben, wie für die klassischen Handmade-Cigarren. Aber es ist ein zylindrisches Fabrikat, an beiden Enden flach abgeschnitten und gilt deshalb nicht als klassische Cigarre. Und wo verkauft sich der Villiger Export am besten? Das sind – neben der Schweiz – die USA und vor allem das internationale Duty-Free Geschäft. Und an nächster Stelle kommen als „Klassiker“ unsere ’sogenannten‘ KRUMMEN Virginia-Cigarren. Wir haben diese nicht ‚erfunden‘, sondern seinerzeit die Markenrechte von einem schweizerischen kleineren Fabrikanten erworben. Wobei diese „Krummen“ eine angeblich cubanische „Erfindung“ sein sollen – in spanischer Sprache „Culebras“ = „Schlangen“. In Cuba wurden seinerzeit die sog. Deputat-Cigarren zum Unterschied zu den „normal“ verkäuflichen Cigarren zu Culebras „getwistet“, um Diebstähle zu verhindern.

Ihre Gedanken zur Zukunft des Kulturgutes Tabak und den Cigarren?

Heinrich Villiger: Ich mache mir eigentlich gar keine Gedanken. Ich wundere mich nur über die Vielzahl der sog. „Besserwisser“, die den Tabakrausch als eine der größten Gefahren für die Gesundheit des Menschen einstufen, ohne zwischen den verschiedenen Arten des Tabakgenusses zu differenzieren. Letztlich geht es einzig und allein um das sogenannte „Inhalieren“. Wenn nicht „auf Lunge geraucht wird“, wie der unbedarfte Raucher zu sagen pflegt, ist Cigarrenrauch relativ harmlos.

Vielen Dank Herr Villiger, dass Sie uns auf diese Zeitreise mitgenommen haben und unseren Lesern einen solch umfangreichen Einblick in das Villiger Söhne- und das Heinrich Villiger-Leben gegeben haben.

https://www.villiger.ch