Wie der Tabakrausch nach Dresden kam

Stadtmuseum Dresden begeisterte mit einem Stück Industriegeschichte

(so/sp) Er hat mal selbst geraucht. Ziemlich lange sogar. Seit einiger Zeit kommt Holger Starke jedoch gut ohne Zigaretten aus. „Die Ausstellung hat damit allerdings nichts zu tun“, sagt er und lacht. Anderthalb Jahre lang hat sich der 59-jährige Historiker zuletzt beruflich viel mit dem Tabak und all seinen wirtschaftlichen und sozialen Facetten beschäftigt. Entstanden ist eine in dieser Form einzigartige Schau im Dresdner Stadtmuseum, die den Namen „Tabakrausch an der Elbe – Geschichten zwischen Orient und Okzident“ trägt.

In zwei Ausstellungssälen auf insgesamt 700 Quadratmetern Fläche richtete die Ausstellung den Blick auf die Herstellung, den Handel, den Vertrieb und den Konsum der Kulturpflanze Tabak und der aus ihr produzierten Waren. Dresden, das wissen heute viele, war einst ein Zentrum der deutschen Tabakindustrie. Symbolisch dafür steht unter anderem die Yenidze in Friedrichstadt, die wohl schönste Tabakfabrik der Welt. Weit weniger Menschen wissen allerdings, dass Dresden auch das Zentrum der Tabakgegner war, die für ihre Anhänger sogar eine eigene Holzhaussiedlung in Leubnitz erbauten. „Zudem war Dresden jener Ort, an dem der Mediziner Fritz Lickint den weltweit ersten wissenschaftlichen Nachweis zu den schädlichen Folgen des regelmäßigen Tabakkonsums geführt hat“, erklärt Holger Starke, Kustos für Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte im Stadtmuseum. „Erkenntnisse, die beispielsweise Eingang in die Kampagnen des Deutschen Hygiene-Museums gefunden haben.“ Nach einer von ihm konzipierten Bier-Ausstellung 1996 und einer Schau über Schokolade 2013 wird die Reihe zur Dresdner Industriegeschichte damit abgeschlossen. „Nach 25 Jahren schließt sich gewissermaßen ein Kreis“, sagt Starke. „Manchmal klappt so was.“

Noch besser hätte es ihm gefallen, wenn die Tabak-Ausstellung so lange zu sehen gewesen wäre, wie ursprünglich geplant. Zunächst war die Eröffnung bereits für November 2020 vorgesehen gewesen, dann für April. Schon bei der Vorbereitung hat die Corona-Krise mächtig gestört, gute Kontakte nach Bulgarien und Griechenland zunehmend erschwert. Eröffnet werden konnte die Ausstellung letztlich nur in aller Stille. So still, dass bis heute viel zu wenige potenziellen Besucher überhaupt davon erfahren haben. Dieses Schicksal teilt das Stadtmuseum jedoch momentan mit allen anderen kulturellen Einrichtungen der Stadt.

Während die Schau selbst von ihren Originalen lebt und somit während des Corona-Lockdowns nicht einfach ins Internet umziehen konnte, sind zumindest einige Vorträge aus dem Rahmenprogramm auf Youtube zu finden. „All die Einschränkungen haben schon ziemlich weh getan, vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Menschen am Gelingen beteiligt waren“, betont Starke. Etwa 40 Leihgeber aus zehn Städten, darunter kommunale Sammlungen und Privatleute, haben ihre besten und wertvollsten Stücke zur Verfügung gestellt, darunter kostbare Gefäße, typische Rauchutensilien und Kultgegenstände aus aller Welt.

Neue Chance in Chemnitz

Schwerpunkt der Ausstellung war jedoch das Massenkonsumgut Zigarette im Industriezeitalter und speziell die Tabakstadt Dresden. „Der Spitzenrang, den Dresden im Zeitalter der Orientzigarette erreichte, beruhte auf dem stetigen Austausch der Kulturen, einem innovationsfreundlichen Geschäftsklima, günstigen Rahmen- und Standortbedingungen und dem Weltstandard in Forschung und Produktion“, sagt Starke.

Schon zum 1. August mussten die Exponate Platz für ein neues Thema machen. Erst im kommenden Jahr wird die Schau dann im Industriemuseum Chemnitz zu sehen sein, das von Beginn an Kooperationspartner für das Projekt war. Text: Henry Berndt

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