„Wein ist Kult!“ – und nicht ungesund

Trinkmuster im Wandel der Zeit – ein Buch von Rudolf Nickenig

(po/sp) Viele Jahrhunderte war der Wein als Alltagsgetränk und Heilmittel unumstritten. Moderater Weinkonsum war gut für die Gesundheit. In zunehmendem Maße wird – ob feinherb, lieblich oder trocken im Geschmack – dies von Alkoholkritikern mit Blick auf den Verbrauch alkoholischer Getränke in Frage gestellt: Verlängert und verbessert der Rebensaft das Leben oder ist jeder Tropfen Alkohol schädlich?

Auf diese allgemeine Frage reduziert geht Rudolf Nickenig Fragestellungen und Bewertungen nach dem jeweiligen Zeitgeist nach, aber auch gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen. In seinem Buch „Wein ist Kult! – heilen berauschen, genießen“ liefert der praxiserfahrene Winzersohn, promovierter Ernährungswissenschaftler und langjähriger Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes einen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog über die Kultur des Weingenießens. Da nicht nur der Wein, sondern auch das Lachen und der Humor gut für die Gesundheit sind, werden Entwicklungen auch gelegentlich mal weinfröhlich betrachtet. Der Autor macht dies an zehn Themen u.a. wie „Wein und Jugend“, „Wein und Speise“ oder „Wein und Arbeit“ oder „Wein und Tageszeiten“ deutlich.

Als Beispiel sei die Abhandlung „Wein und Frauen“ genannt. Nicht nur verblüfft, dass deutsche Frauen nicht nur Wein mehr lieben, sondern sie genießen auch mehr, pro Kopf und insgesamt. Sie haben die Männerriege abgehängt: 62 % konsumieren Wein, 48 % aller deutschen Männer sind Weinmuffel und trinken nie Wein. Das ergab eine Kundenanalyse der Geisenheimer Forschungsanstalt aus dem Jahre 2019. Zu den bevorzugten Sorten gehören eher die weicheren Sorten wie die der Müller-Thurgau/Rivaner, mit der Säure des Rieslings haben sie Probleme. Mit 8 Gramm Alkohol pro Tag liegen sie aber deutlich unter den Mengen, die als gesundheitlich bedenklich angesehen werden.

Aus dem Buch von Nickenig ist außerdem zu erfahren, dass Frauen wegen ihres geringeren Körperwassers und der verminderten Abbaufähigkeit von Alkohol mit einem bis zu 30 % höheren Promillewert benachteiligt sind. Es könnte also noch die alte Regel gelten, dass bei Aufteilung einer gemeinsamen Flasche Wein, ein Viertele für die Frau, der Rest dem Mann zustehen mag. Es kommt neben der getrunkenen Menge immer darauf an, ob man den Wein allein oder mit anderen Getränken konsumiert. Wichtig ist aber, genau so viel Wasser trinken und das alles langsam.

In einem weiteren Kapital beschäftigt sich der Autor mit „Wein und Senior*nnen“. In früheren Zeiten sahen auch Ärzte den Wein in seiner Wirkung als Stärkungsmittel für Blut und Geist sowie wie als Anregungsmittel für Drüsen und Niere. Es sei nur an Wilhelm Busch erinnert, der gemeint hat „Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben“ oder an das bekannte Sprichwort: „Es gibt mehr alte Winzer als alte Ärzte“. Autor Nickenig weist darauf hin, dass heuer 21 % der Bevölkerung 65 Jahre und älter sind (17,5 Millionen). Es gibt mittlerweile fast 20 000 Hundertjährige. Viele Senioren zeigen sich fit und agil, lieben gesundheitsbewusstes Essen bei einem guten Glas Wein. Sie haben prozentual betrachtet den höchsten Anteil der Altersgruppen am Weinkonsum. Und da sie es sich durchschnittlich auch leisten können, höherpreisige Weine zu kaufen, schlägt sich das auch beim Wert der Weineinkäufe nieder.

Der Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Worm macht in dem Buch darauf aufmerksam, dass der Energiebedarf im Alter niedriger wird, nicht jedoch der Nährstoffbedarf und die Flüssigkeitsaufnahme. Viele Studien belegten, dass leichter bis moderater Weingenuss für die Menschen ab dem mittleren Lebensalter durchaus gesundheitliche Vorteile bewirke, z.B. bei Herz-Kreislauf- und Demenzerkrankungen könnten die günstigen Wirkungen des Weingenusses greifen. Eindeutig sei die Minderung des Herzinfarkt-Risikos. Ein wenig Wein lasse das gute HDL-Cholesterin ansteigen und setzte die Gerinnungs- und Thromboseneigung des Blutes herab. Das gelte für alle Genderunterschiede.

Soweit zwei Beispiele aus dem Buch. Begleitet werden die Schilderungen des Autors durch Interviews mit Medizinern und Ernährungswissenschaftlern. Zu den einzelnen Themen positioniert sich abschließend die Deutsche Weinakademie unter Berücksichtigung der aktuellen Forschungen.

Das Buch, herausgegeben von der Deutschen Weinakademie GmbH (DWA), hat 184 Seiten mit 60 Abbildungen und kostet 25 Euro. ISBN 987-3-96176-113-5.

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