Mount Gay: Das Geheimnis des wahrscheinlich ältesten Rums der Welt

Die Mount Gay Distillery gilt als die älteste noch aktive Rum-Brennerei der Welt

(pm/sp) Die Mount Gay Distillery auf Barbados brennt seit mehr als 300 Jahren Rum. Die Tradition hält sie jedoch nicht davon ab, die Grenzen immer wieder neu auszuloten. Mit Rum verbinden bis heute viele Menschen das wilde Freibeuter-Image der Piraten. Doch auch in der High Society war der Zuckerrohrbrand früher äußerst beliebt. Sogar während eines Schlüsselmoments der amerikanischen Geschichte befand sich Rum in den Gläsern der Gäste. George Washington, dessen Konterfei bis heute den Ein-Dollar-Schein ziert, bestand darauf, dass zu seiner Amtseinführung als erster Präsident der neu gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika im Frühsommer 1789 Rum ausgeschenkt wurde. Genauer gesagt: Rum aus Barbados.

Das war damals streng genommen verboten, schließlich durften keine Importe aus britischen Kolonien eingeführt werden. Doch Washington war der Meinung, dass der Rum aus Neuengland nicht den Qualitätsansprüchen für eine Amtseinführung des Präsidenten genügte. Washington hatte offensichtlich Geschmack, bis heute genießt Rum aus Barbados unter Kennern einen exzellenten Ruf.

Die älteste Rum-Brennerei der Welt

Barbados war im 18. Jahrhundert der größte Zuckerproduzent der Welt. Eines der Abfallprodukte der industriellen Herstellung von Zucker ist Melasse, aus der wiederum Rum hergestellt wird. Und der Rum aus Barbados galt damals als der feinste der Welt. Angeblich eröffnete 1637 die erste Brennerei der Insel. Doch erst der 1703 eröffneten Mount Gay Distillery gelang es, der Rumwelt einen Stempel aufzudrücken. Hier wird seit mehr als 300 Jahren durchgängig gebrannt, was sie zur ältesten noch aktiven Rum-Brennerei der Welt macht.

Seit drei Jahrhunderten steht die Mount Gay Brennerei oben auf dem gleichnamigen Hügel im Norden des kleinen Karibikstaats nordöstlich von Venezuela – umgeben von weitläufigen Zuckerrohrfeldern, aus denen vereinzelt Tamarinden- oder Brotfruchtbäume herausragen. Zwar hat sich hier im Lauf der Jahrhunderte viel verändert, doch vereinzelt spürt man noch die weit zurückreichende Geschichte. So können etwa immer noch die kupfernen Destillierkolben aus dem 19. Jahrhundert bewundert werden.

Der Geschmack von Barbados

Neben Mount Gay gehört etwa die Foursquare Distillery von Richard Seale zu den namhaften Rum-Herstellern des Landes. Beide eint, dass sie ungezuckerten Rum ohne Zusätze anbieten. Die Süße entsteht ausschließlich natürlich, etwa durch Fasslagerungen. Rum aus Barbados gilt deshalb als ehrlich und authentisch.

In der Produktion gibt es mehrere Unterschiede zu anderen Rum-Nationen. So ist Barbados die einzige Koralleninsel der Karibik. Das durch Kalk gefilterte Wasser gilt als eines der reinsten der Welt. Da der Rum teils mit einem Alkoholanteil von bis zu 90 Volumenprozent destilliert und später mit Wasser auf Trinkstärke verdünnt wird, prägt dessen Qualität auch den Geschmack. Die Gärung der eigenen Hefen findet unter freiem Himmel statt.

Die Abfüllungen im Vergleich

Das Unternehmen zelebriert seine jahrhundertelange Geschichte und versucht, sie in alle Kernprodukte einzuweben. Das sind die vier Abfüllungen Eclipse, Black Barrel, XO und der 1703 Master Select.

Der Eclipse kostet etwa 17 Euro für 0,7 Liter und ist damit die Einsteiger-Abfüllung. Der kupfergoldene Black Barrel (etwa 40 Euro) bekommt ein Finish in stark verkohlten ehemaligen Bourbon-Fässern, was ihm leichte Raucharomen verleiht und dadurch ein wenig komplexer macht. Der Mount Gay XO (rund 45 Euro) ist ein Blend aus mehreren Destillaten, die zwischen 5 und 17 Jahre in Cognac-, Whisky- und Bourbonfässern verbrachten. Der Rum ist sehr rund und wird von Vanille- und Holznoten geprägt. Das macht ihn zu Everybody’s Darling, er kann sowohl pur als Old Fashioned oder mit Soda aufgefüllt getrunken werden kann.

Der 1703 Master Select, benannt nach dem Gründungsjahr, ist gewissermaßen das Flaggschiff der Brennerei. Das spiegelt sich auch im Preis wider: Mit rund 125 Euro ist er die teuerste der vier Standardabfüllungen. Verwendet wird zum Teil bis zu 30 Jahre alter Rum, was aus Klimagründen in der Karibik nur selten passiert. Denn in den Tropen ist der sogenannte Angels Share verglichen zur europäisch-kontinentalen Lagerung besonders hoch, es verdunstet also ein größerer Teil.

Vielfalt mit Fässern

Trotz der jahrhundertelangen Erfahrung scheint die Lust auf Experimente immer noch groß zu sein. Wie andere Rum-Hersteller experimentiert auch Mount Gay mit exotischen Fässern für die Rum-Lagerung. Neben ehemaligen Bourbon-Fässern aus amerikanischer Weißeiche werden nun auch ehemalige Portwein- oder Sherry-Fässer verwendet.

Vor einigen Monaten brachte Trudian Branker (Foto 2) , seit 2019 Master Distillerin bei Mount Gay und eine der wenigen Frauen der Branche in einer solch hohen Position, eine limitierte Edition auf den Markt: Mount Gay The Port Cask Expression. Diese 150 Euro teure Abfüllung besitzt einen höheren Alkoholgehalt (55 Prozent) und wird von Aromen dunkler Beeren, getrockneter Früchte und Karamell bereichert. Nur 6750 Flaschen wurden abgefüllt. Das ist schade, weil diese Sorte die Grenzen der Kategorie ein Stück weit verschiebt und zeigt: Auch nach 300 Jahren ist die Geschichte des Rums noch längst nicht auserzählt.