Klein gegen Groß: „Berliner Luft“ setzt Handelsketten an die Luft

Likörhersteller legt sich mit dem Handel an – weil er höhere Preise durchsetzen will

(os/sp) Im beschaulichen Alt-Kaulsdorf im Osten der deutschen Hauptstadt ist die Berliner Luft meist frisch und klar – wie der gleichnamige Pfefferminzlikör. In der backsteinernen Fabrik hat Unternehmer Sergei Schilkin vor 70 Jahren das Rezept für die Spirituose erdacht.

In der Clubszene avancierte die Berliner Luft in den letzten Jahren zum Kultgetränk – ähnlich wie zuvor schon der traditionsreiche Jägermeister. Studenten und Touristen verbreiteten den Minzlikör von Berlin aus in der ganzen Republik. Firmenchef Erlfried Baatz erklärt den Erfolg der Berliner Luft so: „Wenn die Leute beim Feiern Bier, Whisky und Schnaps durcheinander trinken, bekommen sie irgendwann schlechten Atem. Wer noch etwas vorhat, erfrischt sich gerne mit unserem Minzlikör.“ Doch Spirituosenhersteller Schilkin durchlebt derzeit herausfordernde Zeiten. In der Pandemie blieben Bars und Clubs fast zwei Jahre geschlossen, Volksfeste fielen aus. Im Vor-Corona-Jahr 2019 kam ein gutes Drittel des Umsatzes von rund 35 Millionen Euro (inklusive Alkoholsteuer) aus dem Gastro-Geschäft. Auch in den meisten Supermärkten suchen Kunden seit Längerem vergebens nach Berliner Luft. „Bis auf Markant, Metro und Netto-Stavenhagen sind wir aktuell im gesamten Lebensmitteleinzelhandel draußen“, erklärt der 66-Jährige.

Streit mit Supermärkten: Berliner Luft liefert nicht mehr

Der Streit begann 2020 mit Edeka, Deutschlands größter Supermarktkette. „Wir wollten die Preise im einstelligen Bereich erhöhen, schließlich hatten wir in neue Flaschen und Kartonagen investiert“, so Baatz. Edeka lehnte ab. Auf Anfrage äußerte sich der Händler nicht. Als die Verträge ausliefen, stellte Schilkin die Belieferung ein. Das gleiche Spiel wiederholte sich mit Rewe, Lidl, Aldi und Kaufland. „Obwohl wir junge kaufkräftige Kunden in die Läden bringen“, wundert sich Baatz.

Preiskampf von David gegen Goliath

„Wir sind nur ein kleiner Mittelständler, kein multinationaler Konzern, der die Händler irgendwie erpressen könnte“, ärgert sich der Schilkin-Chef, der nicht aufgeben will. Weil Kunden ständig im Supermarkt nachfragten, verkauften inzwischen mehr als 400 selbstständige Edeka-Händler wieder Berliner Luft, heißt es beim Hersteller. „Sie beziehen direkt von uns oder von Fachhändlern.“ Baatz hatte bereits früher die Auseinandersetzung mit Edeka nicht gescheut. Als Chef der Sektkellerei Henkell war er Wortführer der Sektbranche gegen missbräuchliche „Hochzeitsrabatte“, die Edeka 2009 zur Übernahme der Discounter-Kette Plus von Lieferanten gefordert hatte.

Berliner Luft konnte Umsatz im Ausland retten

Spirituosenhersteller Schilkin hielt sich mit seinen 60 Beschäftigten in der Pandemie auch mit Kurzarbeit über Wasser. Der Umsatz, der im ersten Corona Jahr stark eingebrochen war, sank 2021 leicht auf 22 Millionen Euro (inklusive Alkoholsteuer). Neue Auslandsmärkte retteten das Geschäft. In Österreich und der Schweiz verkaufe das Unternehmen erfolgreich und zu höheren Preisen – auch im Handel. Baatz ist erleichtert, dass nun das Gastro-Geschäft wieder deutlich anzieht. Wurden im Lockdown 50.000 Miniflaschen Berliner Luft im Monat verkauft, sind es jetzt eine Million. „Es gibt kein besseres Konjunkturbarometer als Mini-Flaschen“, ist sich der Firmenchef sicher.

https://www.schilkin.de