450 Jahre Tabak-Tradition

Wie die Südpfalz zur Tabak-Hochburg wurde

(pm/sp) Hayna, Herxheim, Hatzenbühl – drei Orte in der Südpfalz, die eng mit dem Tabakanbau in Deutschland verbunden sind. Hayna als Dorf der Tabakschuppen, Herxheim, weil es bis in die 1950er Jahre der Ort mit den größten Tabakanbauflächen in Deutschland war und Hatzenbühl, weil dort der erste deutsche Tabak angebaut wurde und der Ort damit ganz offiziell die älteste Tabakanbaugemeinde Deutschlands ist.

Pfälzer Tabakkultur erkunden und erleben

Hier in Hatzenbühl begeben wir uns auf den rund zwei Kilometer langen Tabakrundweg, um mehr über die Geschichte des Tabakanbaus in Deutschland – und speziell in der Pfalz – zu erfahren. Der im Mai 2016 eingeweihte Tabakrundweg dokumentiert den Jahreszyklus des Tabaks von der Saat über die Ernte bis zur Trocknung und dem Wiegen. Er beginnt am Pfarrgarten von Hatzenbühl, wo Pfarrer Anselm Anselmann im Jahr 1573 vermutlich erstmalig in Deutschland Tabak anbaute. Entlang der Pflanzgärten und Tabakschuppen wird das gesamte Vegetationsjahr des Tabaks auf Schautafeln dargestellt. Auch verschiedene Tabaksorten sind am Wegesrand angebaut, ein Blick in die alten Tabakschuppen, wo die Tabakblätter nach der Ernte einzeln zum Trocknen aufgehängt werden, lässt erahnen, wie schwer die Arbeit der Tabakbauern einst gewesen sein muss. Tabak ist eine einjährige Pflanze und wächst schnell. Von der Aussaat bis zur Blüte dauert es – je nach Witterung – drei bis vier Monate. Geerntet werden die Tabakblätter von Ende August bis Mitte Oktober. Sind sie in den markanten, hohen Tabakschuppen aufgehängt, müssen sie dort bis zu sechs Wochen trocknen.

Die Geschichte

Der Tabak wurde 1492 von Kolumbus auf seinen Reisen für die westliche Welt entdeckt. Auf Kuba beobachtete er, wie die Bewohner gerollte, qualmende „Tobago-Blätter“ im Mund hielten – er und seine Nachfolger brachten die Tabakpflanze und das Rauchen in den folgenden Jahrhunderten nach Europa. Bis ins 16. Jahrhundert war der Tabak hier in erster Linie eine Zierpflanze, die hin und wieder als Heilpflanze eingesetzt wurde. Man empfahl ihn gegen Leiden wie Husten, Zahnschmerzen, Wassersucht, Geschwulste oder Flechten. Um 1570 wurde in Lothringen der Anbau des Tabaks aufgrund dieser Heilwirkung gefördert und in dieser Zeit ist der Tabak dann wahrscheinlich auch in der Pfalz angekommen. 1573 pflanzte dann ein gewisser Anselm Anselmann, der von 1530 bis 1585 Pfarrer in Hatzenbühl war, Tabak in seinem Pfarrgarten neben der Kirche an. Man sagt, er habe über Geistliche in Frankreich von dem Heilkraut erfahren und von dort eine Pflanze in die Pfalz gebracht. Glaubt man der Sage, war es der Teufel höchstpersönlich, der sein höllisches Tabakfeld in einem Ratespiel an einen Pfälzer Bauern und dessen listige Frau verlor, weswegen der Pfälzer Tabak auch heute noch „Teufelskraut“ genannt wird.

Tabakblüte

Nach dem 30-jährigen Krieg (1618 bis 1648) begann man in Hatzenbühl Tabak auch erwerbsmäßig anzubauen, im 19. Jahrhundert entwickelt sich die Region dann zu einem der führenden Tabakanbaugebiete in Deutschland – auch wegen des fast mediterranen Klimas. Tabak war damit die Haupteinnahmequelle der Bauern rund um Hatzenbühl. Bis in die 1970er Jahre wuchs der Wirtschaftszweig, 1972 etwa betrug die Anbaufläche über 260 Hektar und erbrachte Einnahmen von 4,35 Millionen Mark. Dennoch gab es über die Jahre immer weniger Pflanzer, es entstanden Großbetriebe, in denen der große manuelle Arbeitsaufwand nur mit Saisonarbeitern bewältigt werden kann. Angebaut wurden rund um Hatzenbühl traditionell die Sorten „Badischer Geudertheimer“, „Badischer Burley“ und heute ist es hauptsächlich die Sorte „Virgin“, deren Blätter auch von der Industrie bevorzugt werden.

UNESCO-Welterbe „Tabakkultur“

Auch heute noch spielt die Tabaktradition in Hatzenbühl eine bedeutende Rolle. Das zeigt nicht nur der liebevoll gestaltete Tabak-Rundweg, so Corona es zulässt gibt es im Ort Ende August einen „Tabak-Einlesewettbewerb“ im Rahmen des Sommernachtfests. Außerdem wird seit 2004 eine Tabakkönigin gewählt, die die älteste Tabakanbaugemeinde überregional repräsentiert. Gemeinsam mit vier weiteren Tabak-Dörfern hat sich Hatzenbühl als „Immaterielles UNESCO Kulturerbe“ beworben. Der Antrag „Die Techniken des Tabakanbaus und Zigarrenverarbeitung am Oberrhein als jahrhundertelange Prägung von Agrar-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie von Kultur, Mentalität, Brauchtum und Architektur“ ist eine länderübergreifenden Kooperation der Tabakgemeinden Hatzenbühl (Rheinlandpfalz), Schwetzingen, Hockenheim, Heddesheim (Baden-Württemberg) und Lorsch (Hessen) und hat es auf die deutsche Vorschlagsliste geschafft. Damit soll nicht nur die Erinnerung an die historischen Tabakpflanzer und die traditionelle Tabak-Landwirtschaft gewahrt werden, das Konzept steht auch für die Idee eines nachhaltigen Tourismuskonzepts in den alten deutschen Tabakanbaugebieten. In Deutschland ist Tabakanbau zum Eigenbedarf ausdrücklich erlaubt. Allerdings sollten es nicht mehr als 100 Pflanzen sein, auch verkauft werden darf der selbst angebaute Tabak nicht.

Übrigens: Wer die Tabakanbau-Kultur in Rheinland-Pfalz über mehr als zwei Kilometer erleben möchte, der setzt sich aufs Fahrrad und genießt die rund 40 Kilometer lange Südpfalz-Tabaktour. Entlang der Tabakfelder mit ihrem intensiven Duft geht es von Ottersheim und Bellheim über Rülzheim bis nach Hatzenbühl und weiter nach Herxheim und Hayna. Besonders schön ist das, wenn die hoch gewachsenen Tabakpflanzen auf den Feldern in voller Blüte stehen.

Ein Beitrag von Heike Schwitalla aus Germersheim.

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